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Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
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»Und hab ein weit Revier …«
    Da in diesem Buch häufiger von Jägern die Rede sein wird, möchte ich hier ein paar grundsätzliche Worte über Jäger, Jagd und Jagdbrauchtum verlieren.
    Das deutsche Bundesjagdgesetz ist vermutlich das perfekteste, aber auch das komplizierteste Jagdgesetz der Welt. Hier nur die wichtigsten Grundsätze: Das Jagdrecht ist grundsätzlich an Grund und Boden gebunden. Das heißt jedoch nicht, dass der Eigentümer jagen darf, denn das Recht auf die tatsächliche Ausübung der Jagd ist an weitere Bedingungen geknüpft, zum Beispiel einen Jagdschein undwie groß der Grund und Boden ist. Die Mindestgröße eines Reviers beträgt 75 Hektar oder umgerechnet 0,75 Quadratkilometer. Große Privatreviere gehören meist Adligen oder Industriellen. Wenn sie einen Jagdschein haben und jagdlich passioniert sind, fein.
    Hat der Eigentümer allerdings keinen Jagdschein, muss er das Jagdrecht verpachten, da in Deutschland auch Jagdpflicht herrscht. Umfasst sein Grund und Boden weniger als 75 Hektar, kann er sich mit anderen Bauern und/oder Waldbesitzern zu einer Jagdgenossenschaft zusammenschließen. Sehr viele Reviere setzen sich aus verschiedensten Teilen zusammen, zum Beispiel aus Kommunalwald, Privatwald, Kirchenwald und Staatsforst. Wenn keiner der Jagdgenossen einen Jagdschein hat, verpachten sie das Revier ebenfalls an einen Jäger. Eine Pachtperiode beträgt neun oder zwölf Jahre. In dieser Zeit zahlt der Pächter beziehungsweise Jäger nicht nur die Pacht an den oder die Eigentümer, sondern zusätzlich jede Menge Jagdsteuer an Vater Staat. Außerdem muss er für den Schaden aufkommen, den das Wild auf den Feldern oder in den Wäldern anrichtet – obwohl Wild an sich eine herrenlose Sache ist. Das einzige Geld, das man als Jagdpächter aus einer Jagd zieht, stammt aus dem Verkauf des Wildbrets. Das deckt aber nur einen Bruchteil der Kosten. Da ein Jäger – ob nun Pächter oder Revierbesitzer – zudem ein gutes Gewehr braucht, schicke Jägerkleidung, einen Geländewagen, vielleicht ein Jagdhäuschen oder eine Jagdhütte und und und, ist die Jagd ein großer Wirtschaftsfaktor.
    Für viele Deutsche hat das Jagen denn bis heute etwas Elitäres, Konservatives, nicht Volksnahes, einer der Gründe, weshalb es so kontrovers diskutiert wird. Zugegeben: Jäger wollten immer etwas Elitäres sein, weshalb sie sich vermutlich auch eine eigene Sprache zugelegt haben, die vomLaien kaum verstanden wird. Ein Hirsch kackt nicht, der löst sich. Der pinkelt oder strullert auch nicht, der nässt. Die Paarungszeit ist bei den Hirschen die Brunft und bei den Wildschweinen die Rauschzeit, bei den Hasen ist es die Rammelzeit, bei den Füchsen die Ranzzeit – das soll mal einer verstehen. Wenn man unter Jägern sagt: »Der hat aber lange Ohren«, dann kann man abends gleich eine Runde ausgeben. Wildtiere haben nie Ohren! Der Hase hat Löffel, der Fuchs ein Gehör, das Rotwild Lauscher und das Wildschwein Teller. Ein Hirsch im Bast ist einer, dessen Geweih wie mit Samt überzogen aussieht. Und Geweihstangen sind keine Hörner! Kühe und so Bauernsachen haben Hörner, aber doch nicht so etwas Edles wie ein Hirsch!
    Die Jagd ist bei uns zu etwas hochstilisiert, was man in Kanada, den USA , Russland, Skandinavien und vielen anderen Ländern gar nicht verstehen könnte. Da geht man in erster Linie zur Jagd, um Beute zu machen. Und wenn zwanzig Jäger auf Elchjagd gehen und nur ein Elch erlegt wird, dann wird das Fleisch halt durch zwanzig geteilt. Dass es in einem dicht besiedelten Land wie der Bundesrepublik Jagd- und Sachkundeprüfungen und Jagdverordnungen geben muss, ist ganz klar. Den Grundsatz, dass die Jagd ein Jedermannsrecht ist, gibt es in Deutschland aber leider schon seit über 1000 Jahren nicht mehr. Dabei waren wir Menschen etwa 99,8 Prozent unserer Evolution Jäger und Sammler. Jagd bedeutet für mich in erster Linie Leidenschaft. Beobachten, Sinne schärfen, Naturverständnis. Richtige Jäger wissen weit mehr über die Tierwelt, deren Biologie, über Pflanzen- und Umweltschutz als der Durchschnittsbürger. Auf der Jagd zu sein ruft aber auch Instinkte und Empfindungen wach, die man rational nicht erklären kann: Jagdleidenschaft. Und diese Jagdleidenschaft und Jagdfieber stecken in jedem von uns. Wer das nicht glauben will, soll sich einmal ganz kritisch fragen, ob er noch nie auf der Jagd nach etwas war, und sei es nur ein seltenes Stück für irgendeine Sammlung oder ein außergewöhnliches

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