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Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
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soll für alles Mögliche stehen: den Schutz von Naturräumen, Durchlässigkeit und Verbundenheit, das Zusammenwachsen deutscher Landschaften, den Blick zurück und den Blick nach vorn und was weiß ich noch alles. Kannst du das alles aus diesen paar Bäumen herauslesen? Ich nicht. Außerdem frage ich mich, warum der BUND und die anderen Verantwortlichen sich ausgerechnet für Roteichen entschieden haben. Einen Baum, der ursprünglich in Deutschland gar nicht heimisch war!«
    Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hatte dieses Projekt mit 100000 Euro gefördert. Was es insgesamt gekostet hat, will ich gar nicht wissen. Die 66 Jungeichen zumindest können hier noch in zweihundert oder dreihundert Jahren stehen und was auch immer symbolisieren. Bei den beiden Eichenstempen habe ich so meine Zweifel, denn Hornissen sind bereits eifrig dabei, das Holz abzuraspeln.
    Was mir am WestÖstlichen Tor am besten gefallen hat, war, dass ich einen Großen Raubwürger sah, der in Deutschland in den letzten Jahren sehr selten geworden ist. Dieserhübsche, drosselgroße Singvogel aus der Familie der Würger jagt vorwiegend Insekten, vor allem Käfer und Heuschrecken, aber auch kleine Vögel und Mäuse. Um die Beute leichter zerlegen zu können und um einen Nahrungsvorrat anzulegen, spießt der Raubwürger seinen Fang auf die Dornen eines Busches, zum Beispiel eines Weißdorns oder einer Schlehe, oder auch auf Stacheldraht. Interessante Technik.
Süße Versuchung
    In einem kleinen, hübsch herausgeputzten Städtchen, das wir auf unserer Wanderung passierten, ereignete sich etwas höchst Unangenehmes. Heute kann ich zwar darüber lachen, den Namen des Ortes möchte ich dennoch nicht nennen.
    Es gab da eine schöne Fußgängerzone rund um einen hübschen Marktplatz mit lauter kleinen Geschäften, die alles Mögliche verkauften: Weihnachtspyramiden, Nussknacker, kleine holzgeschnitzte Engel, Ketten, Ohrringe, Armbänder, die als Schmuck der Region verkauft wurden, aber mit Sicherheit aus China stammten, Wurzelpeter, Glasbläserkunst, Wanderstöcke …
    Vor dem Schaufenster eines Geschäfts blieb ich stehen, Cleo wie eigentlich immer während der Wanderung frei bei Fuß neben mir, und schaute mir die zur Schau gestellten Mineralien an, die ebenfalls angeblich alle aus der Region stammten. Mineralien interessieren mich seit Langem, sodass ich mich ein bisschen damit auskenne. Unter anderem lag in der Auslage ein wunderschöner großer Amethyst. Ts, dachte ich mir, von wegen aus der Region. So schöne große Amethysten kommen eigentlich alle aus Brasilien. Am einzigen deutschen Fundort, von dem ich weiß, dem Steinkaulenberg bei Idar-Oberstein, ist der Mineralienabbau inzwischen verboten. Davon abgesehen, liegt Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz, und das kann man selbst bei großzügigster Auslegung nicht als hiesige Region bezeichnen. Und der Bernstein, der da ausgestellt war, ist höchstwahrscheinlich aus Polen.
    Als eine Gruppe von Touristen vor dem Schaufenster drei Geschäfte weiter in Gelächter ausbrach, schaute ich kurz hinüber. Prustend deuteten sie in das Schaufenster. Na, da muss es ja etwas ganz Lustiges zu kaufen geben, dachte ich mir, und konzentrierte mich wieder auf die Mineralien beziehungsweise ein spezielles Stück, das mir besonders gut gefiel. Das wollte ich mir aus der Nähe ansehen und drehte mich Richtung Tür, als sich das Gelächter nebenan noch weiter steigerte. Ich warf wieder einen Blick hinüber und wunderte mich, dass so viele erwachsene Menschen über irgendwelchen Schnickschnack lachen konnten.
    »Guckt mal – der Hund! Guckt mal – der Hund!«, rief da eine Omi und zeigte in das Schaufenster.
    In dem Moment schaute ich neben mich – keine Cleo. Ich schaute hinter mich, nichts. Ich drehte mich einmal um die eigene Achse. Weit und breit keine Spur von Cleo.
    Mir dämmerte etwas, und so lief ich schnell zu dem Geschäft hinüber, drängte mich zwischen den Schaulustigen hindurch und warf einen Blick in das Schaufenster. Ich konnte gar nicht lachen, mich traf fast der Schlag: Mitten in der Auslage zwischen Pralinen, Marzipanfiguren und allen möglichen Konfiserien stand – mit schokoladenverschmierter Schnauze – Cleo.
    Ach, du Sch…! Ein »Cleo, hierher! Pfui ist das!« kam hier eindeutig zu spät. Was nun? Zu meiner Schande mussich gestehen, dass ich feige den Rückzug antrat und darauf hoffte, dass sich das Problem von allein lösen würde. Tat es aber nicht. Während ich mich rückwärts durch die Gaffer

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