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Ein deutscher Wandersommer

Ein deutscher Wandersommer

Titel: Ein deutscher Wandersommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Kieling
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schob, kam es zu einem Aufruhr in dem Laden.
    »Du verdammter Köter! Mach, dass du abhaust! Ich wenn dich erwisch …!«, tönte es von drinnen auf die Straße.
    Im nächsten Augenblick schoss Cleo durch die Tür, gefolgt von einer Frau mit einem kleinen Kehrbesen oder Ähnlichem in der Hand, und rannte mit angelegten Ohren, eingeklemmten Schwanz und einem Marzipanschwein in der Schnauze über den kleinen Marktplatz. Ich drückte mich schnell in eine Nische und beobachtete das Geschehen. Cleo raste im Zickzack von einer Häuserwand zur anderen und hielt verzweifelt nach mir Ausschau. Ich konnte ihr regelrecht ansehen, was ihr durch den Kopf ging: Chef, wo bist du? Hilfe! Hilfe! Es ist etwas Furchtbares passiert!
    »Wem gehört der verdammte Köter?«, brüllte die Besitzerin des Ladens über den Marktplatz, während sie weiter hinter Cleo herjagte, gefolgt von dem Gelächter all der Menschen, die das Spektakel inzwischen angezogen hatte.
    Da fiel mir siedendheiß ein, dass Cleo natürlich ihr Halsband umhatte. Wenn die Frau oder jemand anderes Cleo erwischte, würde sie sofort die Telefonnummer auf dem Halsband sehen.
    In dem Moment entdeckte mich Cleo, rannte auf mich zu und drängte sich Schutz suchend und sichtlich nervös gegen meine Beine.
    »Gehst du weg! Gehst du weg!«, flüsterte ich und versuchte sie von mir zu schieben, doch Cleo drückte sich nur umso fester an mich.
    »Ist das Ihr Hund?«, schnaufte die Frau, die Cleo bis zu mir verfolgt hatte.
    Ich stellte mich dumm und sagte erst einmal gar nichts. Blöderweise stand auf Cleos Halsband nicht nur meine Telefonnummer, sondern, wie mir bewusst wurde, ich hatte das passende Gegenstück, die Hundeleine, selbst um den Hals hängen. Da nutzte alles Leugnen nichts, ich musste Farbe bekennen. Das Einzige, was ich in dem Moment allerdings zustande brachte, war ein beschämtes Nicken.
    »Gucken Sie sich mal meinen Laden an! Diese Sauerei!«, keifte die Frau da los.
    Ich nahm Cleo, die nun, ganz schlechtes Gewissen, neben mir saß, an die Leine und so gingen wir zu dem Geschäft, um den angerichteten Schaden zu begutachten. In der Auslage lagen zertretene Pralinen, angebissene Marzipan-, zerbrochene Schokoladenfiguren und dergleichen mehr zwischen verrutschten oder umgestürzten Tabletts und Dekorationsmaterial. In der Auslage selbst und auf dem Boden des Geschäfts hatte Cleo überall Schokoladenpfötchen hinterlassen. Das Ganze sah ziemlich übel aus.
    »Sie hätten ja auch die Tür zu Ihrem Laden zumachen können«, sagte ich, da Cleo offenbar zur offenen Tür hineingeschlichen und sofort in die Auslage gestiegen war, die vom Verkaufsraum aus nicht gut einsehbar war. Eine äußerst dumme Bemerkung und eine höchst unangebrachte Reaktion, für die ich mich bis heute schäme. Und ganz sicher nicht das, was die Frau hören wollte. Verständlicherweise, denn was geschehen war, war eindeutig meine Schuld. Ich hatte die Aufsichtspflicht über meinen Hund vernachlässigt. Punkt.
    Cleo, die den ganzen Ärger verursacht hatte, löste schließlich die angespannte Situation. Mit reuevollem und um Verzeihung heischendem Hundeblick brachte sie unsere Kontrahentin zwar nicht zum Schmelzen, aber immerhin zum Einlenken.
    »Der Hund hat doch bestimmt eine Haftpflichtversicherung«, sagte die Frau, etwas milder gestimmt.
    »Ja, aber nur eine Jagdhaftpflichtversicherung«, musste ich gestehen. »Wie hoch ist der Schaden denn?«
    Nun muss man wissen, dass in dem Geschäft überwiegend erlesene Sachen angeboten wurden, wie gute alte Delitzscher Schokolade, die im Osten sehr teuer war, oder edle belgische Pralinen, die Weltruf haben und noch teurer sind. Die Frau machte eine Bestandsaufnahme, rechnete und kalkulierte. Am Ende kamen 190 Euro zusammen. Ich hatte ehrlich gesagt mit noch mehr gerechnet. Zähneknirschend blätterte ich das Geld auf den Tisch und schaute, dass Cleo und ich Laden und Städtchen schnellstmöglich weit hinter uns ließen.
    Es heißt ja immer, Hunde dürften keine Schokolade fressen, da das in den Kakaobohnen enthaltene Theobromin für Hunde wie Gift sei. Cleo hatte zwar am nächsten Morgen erhebliche Schwierigkeiten, die Reste ihrer Fressorgie loszuwerden, ansonsten hat sie die Schokoladenschlacht unbeschadet überstanden. Nichtsdestotrotz bekommen meine Hunde normalerweise keine Schokolade, so wenig, wie sie mit Essensresten vom Küchentisch gefüttert werden. Schon allein deshalb, weil Salz für Hunde sehr schädlich ist. Genauso, wie einem Hund zu viele

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