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Ein Dicker Hund.

Ein Dicker Hund.

Titel: Ein Dicker Hund. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Für Sir Arnold Gonders war die folgende halbe Stunde ein Vorgeschmack auf die Hölle. Als die Sirene auf dem Dach zu heulen anfing und im Garten installierte Halogenlampen das gesamte Gebäude taghell erleuchteten, während in einem Dutzend Polizeiwachen gleichzeitig ein Notalarm höchster Priorität ausgelöst wurde, wußte er, daß seine Laufbahn kurz vor dem Abgrund stand. Er stürzte sich die dunkle Treppe hinunter und hatte das Telefon in seinem Arbeitszimmer schon halbwegs erreicht, als die Dielenbeleuchtung anging und sich ihm die ältliche schottische Haushälterin in ihrem Nachthemd in den Weg stellte.
    »O Sir Arnold, wissen Sie’n, was hier vor sich geht?« fragte sie.
    Der Chief Constable schob sie mit der blutigen Nachttischlampe beiseite. Diese dämliche alte Ziege, natürlich wußte er nicht, was vor sich ging. In seinem Arbeitszimmer warf er die Lampe auf den kostbaren Perserteppich und schnappte sich das Telefon. Die Nummer, die korrekte kodierte Telefonnummer, um den Alarm abzublasen? Verflucht, wie ging die noch mal? Schließlich wählte er verzweifelt 999 und wurde gefragt, welchen Notfalldienst er in Anspruch nehmen wolle. Die Frage war wichtiger, als ihm in diesem Moment klar wurde, obwohl das Haus noch nicht in Flammen stand. »Polizei«, blaffte er und wurde mit einem Tonband verbunden, das ihn bat, sich in Geduld zu üben, die Polizei sei überlastet. Sir Arnold war das bekannt. Er hatte den Text selbst seiner Sekretärin diktiert.
    »Während Sie darauf warten, daß man sich Ihrer annimmt«, fuhr die beruhigende Frauenstimme fort, »möchten wir von der Polizeibehörde Twixt und Tween Sie gern darauf aufmerksam machen, für welche sonstigen Tätigkeiten wir der Öffentlichkeit noch zur Verfügung stehen.
    Unsere Beamten engagieren sich an den Schulen bei der Verkehrserziehung auf allen Ebenen, sei es an Grund-, Mittel- oder Oberschulen. Außerdem veranstalten wir für ältere Mitbürger und Personen weiblichen Geschlechts regelmäßig Selbstverteidigungskurse. Zu diesen können Sie sich ...«
    »Verpiß dich, du Schlampe«, schrie der Chief Constable und knallte den Hörer auf. Soeben war ihm eine neue und sogar noch schrecklichere Möglichkeit in den Sinn gekommen. Vy mit einem jungen Mann im Bett ... Ein Lustknabe! Er mußte irgendwie und unbedingt verhindern, daß Dutzende von Polizisten in dem Haus eintrafen, in dem er mit ziemlicher Sicherheit den Liebhaber seiner Frau ermordet hatte. Doch zuallererst mußte er irgendwie diese infernalische Sirene abstellen. Von frischem Entsetzen gepackt, schoß er auf der Suche nach Sicherungen durch den Hausflur in die Küche und wühlte in der Speisekammer herum, wo sie einmal gelegen hatten. Die Scheißdinger waren nicht mehr an ihrem Platz. Diese Vy und ihre Elektriker. Und wozu gab es eigentlich Notfalldienste, wenn man zu den Ärschen nicht durchkam? Die anderen Hausbewohner waren auch keine Hilfe. Als er sich in Richtung Arbeitszimmer in Bewegung setzen wollte, um die verfluchte Sirene auf dem Dach mit einer Salve aus seinem Gewehr zum Schweigen zu bringen, sah er sich plötzlich Tantchen Bea gegenüber.
    »Ist etwas Schreckliches passiert?« erkundigte sie sich und musterte dabei mit minimalem Interesse, aber beträchtlichem Ekel seine Anatomie. »Ich dachte, ich hätte Schüsse gehört, und dann gingen all die gleißenden Scheinwerfer an, und diese gräßliche Sirene. Kannst du die nicht abstellen?«
    »Nein«, sagte der Chief Constable. »Und es ist nichts Ernstes passiert.«
    »Na, aber ich kann es«, sagte Tantchen Bea. Hinter ihr hatte das Telefon im Arbeitszimmer zu klingeln angefangen. Einen Augenblick lang verhakten sie sich in der Tür ineinander, dann riß sich der Chief Constable los und eilte ins Arbeitszimmer. In der Küche entdeckte Bea den Hauptschalter, und das Sirenengeheul verstummte. Mit der Haushälterin folgte sie ihm und blieb in der Tür zum Arbeitszimmer stehen. Der Chief Constable hatte den Hörer abgenommen.
    »Hier spricht Harry Hodge, der hiesige Stellvertretende Chief Constable«, sagte eine merkwürdig beherrschte Stimme. »Das weiß ich. Ich weiß genau, wer dran ist«, brüllte Sir Arnold zurück.
    »Gut, gut«, sagte die Stimme, bewahrte aber immer noch eine nervtötende Ruhe. »Sind Sie wohlauf? Ich wiederhole, sind Sie wohlauf? Lassen Sie sich für die Antwort Zeit.« Das tat Sir Arnold nicht. Schlimm genug, splitterfasernackt im Arbeitszimmer zu stehen, während eine Frau mittleren Alters in einem

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