Ein dickes Fell
zuvorzukommen. Ihn überdeutlich in seine Grenzen zu weisen. Ganz nach dem Motto, daß ich mir von niemand meinen Mann töten ließ. Daß ich zu einer solchen Handlung durchaus selbst in der Lage war. Und zwar nicht aus Haß oder Habgier, sondern um das Unvermeidliche in die Hand zu nehmen. Wenn es denn unvermeidbar war.
Was sonst hätte ich tun können? Einar warnen? Ihm diese abstruse Geschichte auftischen? Ihn überreden, sich einen Leibwächter à la Ludvig Dalgard zu nehmen? Er hätte mich ausgelacht und mir den Weg in die Psychiatrie empfohlen. Und er hätte mir vorgeworfen, meine heimliche Fickgeschichte mit Soluschka in eine Räuberpistole umzuinterpretieren. Bizarre Kompensation zu betreiben.
Es gab keine andere Möglichkeit. Ich mußte schneller als Sam sein, ohne zu wissen, wieviel Zeit ich hatte. Aber viel würde es nicht sein. Ich rief eine Freundin an, dieselbe, die einst Ludvig Dalgard zu ihrem Schutz engagiert hatte und welche überhaupt eine Meisterin im Engagieren von Leuten war. Zudem konnte man mit ihr in einer Offenheit sprechen wie mit sonst niemanden. Ohne Umschweife.
Ich sagte zu ihr: »Ich brauche einen Killer. Und zwar rasch.«
»Kannst du haben, Schätzchen«, sagte sie. »Doch von den Typen hier in Kopenhagen würde ich dir abraten. Überhaupt von Typen. Aber ich kenne jemand in Wien, eine Frau. Sie ist perfekt. Sie hat ein behindertes Kind.«
»Meinst du, sie ist perfekt, weil sie ein behindertes Kind hat?«
»Nicht direkt. Aber wenn du zweimal um die Ecke denkst, dann hat es etwas Vollkommenes.«
»Ich möchte diese Frau beauftragen«, sagte ich.
»Wer ist denn der Glückliche?«
»Einar.«
»Nicht sehr originell, Schätzchen. Der eigene Ehemann.«
»Ich weiß, daß das nicht originell ist. Aber es muß sein.«
»Natürlich muß es sein. Ich fand schon immer, daß Einar verzichtbar ist.«
»Es schreckt mich«, sagte ich, »wenn du so redest.«
»Natürlich tut es das. So wie ein Echo einen schreckt.«
Meine Freundin gab mir eine Telefonnummer. Ich rief in Wien an und sprach mit jener Frau. Sie fragte nicht, warum und wieso. Sondern beschränkte sich darauf, eine Summe zu verlangen, die fünfzigtausend Dollar entsprach (die einzige Währung, in der ich ab einer bestimmten Größe zu denken vermag). Merkwürdigerweise forderte sie, daß dieses Geld von Einar stammen müßte. Gleich wie ich das anstellen mochte. Aber darin bestehe ihr Prinzip, ihre Moral. Sie verlasse sich darauf, daß ich mich daran halten würde.
Ich versprach es ihr, nicht zuletzt darum, weil mir die Idee bei näherem Hinsehen gefiel und auch einleuchtete. Stellte sich die Frage nach dem Ort und der Zeit. Da erinnerte ich mich, daß Einar vor kurzem eine Einladung nach Wien erhalten hatte, um sich die dortige Dürerausstellung anzusehen. Er hatte mir davon erzählt, jedoch nur um zu sagen, daß er abgelehnt habe. Es könne Wien nicht leiden. An der Stadt sei etwas, daß ihn krank mache. Womit er nichts Seelisches meinte, wie man glauben sollte, sondern etwas wie … Schnupfen.
Ich beschloß, Einars Ausschlagung der Wienreise rückgängig zu machen. Es würde alles sehr viel einfacher sein, wenn die Frau (ich scheue mich davor, von einer Killerin oder einem Killer zu sprechen, obgleich sie genau das war), wenn die Frau also dort bleiben konnte, wo sie war. Einar würde somit nicht nur seine Ermordung selbst bezahlen, er würde auch den Weg dorthin eigenständig zu gehen haben.
Ich engagierte die Frau aus Wien, und sie nannte mir das Konto einer Bank, die ihren Sitz oder auch nur ihren Postkasten an einem Ort namens Bouvet hatte.
»Bouvet?« fragte ich. »Bouvet, die Insel?«
»Die Insel«, antwortete die Frau.
Ich sagte ihr, daß das ganz unmöglich sei. Bei Bouvet handle es sich um ein vollkommen unbewohntes und unbewohnbares Eiland tief im Süden des Atlantik, so ziemlich das entlegenste Stückchen Felsen, das auf dieser Welt existiere. Steine, Eis, Pinguine, aber sicher keine Postkästen. Da dieses Stückchen Felsen zufälligerweise unter norwegischer Verwaltung stehe, gehöre es zu meiner Allgemeinbildung, über Bouvet Bescheid zu wissen. Über das Nichts, das dort herrsche.
»Wollen Sie, daß ich Ihren Mann töte oder nicht?« fragte die Frau.
»Ja.«
»Dann überweisen Sie das Geld nach Bouvet«, bestimmte sie, erklärte aber, daß ich mir damit Zeit lassen könne. Ob die Leistung sofort oder in einem Monat beglichen werde, kümmere sie nicht.
»Ich könnte auf die Idee kommen«, sagte ich
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