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Ein diebisches Vergnügen

Ein diebisches Vergnügen

Titel: Ein diebisches Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mayle
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Preis zu schließen – ähnlich wie dieser Mann, der seinen Keller mit Latour-Spitzenweinen aus den letzten 150 Jahren auskleiden wollte. Das wäre doch ein Motiv, oder?« Sams Miene glich einem hoffnungsvollen Fragezeichen.
    Sophie schürzte die Lippen und nickte bedächtig. »Möglich wäre es, aber wie auch immer, wir haben ohnehin keine
andere Spur, der sich nachzugehen lohnt.« Und abgesehen davon, dachte sie, war die Feldforschung wesentlich erfreulicher, als am Schreibtisch zu sitzen und sich mit den Schadensersatzforderungen eines Winzers zu befassen, der Frostschäden geltend macht. »Also, was haben Sie vor? Machen wir erneut die Runde durch die Châteaus? Das ist vermutlich besser als telefonieren.«
    »Genau, wir werden noch einmal die Châteaus abklappern. Morgen in aller Frühe.«
    Sophie warf einen Blick auf ihre Uhr, runzelte die Stirn und nahm ihre Handtasche. »Ich muss mich beeilen, sonst komme ich zu spät zu meiner Besprechung, und mein Anwalt stellt mir jede Minute in Rechnung. Bis morgen also – ist es Ihnen recht, wenn ich Sie um zehn Uhr abhole?«
    »Ist das für Sie in aller Frühe?«, fragte er.
    »Natürlich. Wir sind in Frankreich.«
     
    Sam wachte zu einer Stunde auf, die man auch in Amerika als früh bezeichnet hätte, verdammt früh also. Am Abend zuvor hatte er noch lange darüber gegrübelt, dass er Sophie einen weiteren Tag von der Arbeit abhalten würde und dass auch dieser neue Versuch wieder in einer Sackgasse enden könnte. Doch die wenigen Stunden Schlaf reichten aus, seinen Optimismus wieder zum Leben zu erwecken. Außerdem schien die Sonne, ein gutes Zeichen. Er beschloss, auswärts zu frühstücken; gegenüber dem Grand Théatre entdeckte er ein Café, in dem bereits rege Geschäftigkeit herrschte, und ließ sich mit einem café crème und der Herald Tribune an einem freien Tisch nieder.
    Der Blick auf die Schlagzeilen war kaum dazu angetan, seiner angeborenen Lebensfreude weiteren Aufschwung zu geben. Überall auf der Welt nahm das Leben seinen gewohnt
betrüblichen Gang. In Südkalifornien wuchs die Anzahl der verheerenden Waldbrände, auf der politischen Bühne in Washington fand ein nutzloses Sperrfeuer übelster Beschimpfungen und Schuldzuweisungen statt, die Luftverschmutzung hüllte China in eine Dunstglocke von zunehmender Dichte ein, im Nahen Osten herrschten die üblichen Unruhen, in Russland bestimmten demagogische Schmähreden das Tagesgeschehen, in Europa läuteten Alarmglocken, und die Debakel auf der Wall Street steuerten eine Dosis Weltuntergangsstimmung bei. Letztere erinnerte daran, dass die Nachrichten, so schlimm sie auch sein mochten, den urwüchsigen menschlichen Kauftrieb niemals auszubremsen vermochten.
    Sam legte das sorgsam formulierte tägliche Katastrophenmenü beiseite und blickte sich um. Die übrigen Gäste wirkten seltsam heiter und gelöst. Während sie tartines aßen und Kaffee tranken, die morgenfrischen Gesichter noch ungezeichnet von den Härten des bevorstehenden Tages, schien ihnen nicht bewusst zu sein, dass die Welt noch vor der Mittagsstunde untergehen könnte, wenn man den Morgennachrichten Glauben schenken durfte.
    Er bestellte einen weiteren crème und notierte die Weine und Jahrgänge, nach denen er suchte: 1953er Lafite, 1961er Latour, 1970er Petrus, 1975er Yquem, 1982er Figeac, 1983er Margaux. Was für eine unglaubliche Liste! Er konnte sich jedoch des Gefühls nicht erwehren, dass diese Schätze in Danny Roths Augen lediglich in Flaschen abgefüllte Statussymbole waren und unbefriedigende obendrein, da sie sich nicht für jedermann sichtbar an die Wand nageln ließen. Sam hätte gerne gewusst, was der Staradvokat mit dem Geld von der Versicherung anfangen würde, wenn der Wein verschollen blieb.

    Seine Überlegungen wurden vom Klingeln seines Handys unterbrochen. Es war Sophie, die ihm mitteilte, dass sie bereits im Hotel auf ihn warte, obwohl es noch nicht einmal zehn sei. In aller Frühe, wie ausgemacht. Aber keine Spur von ihm! Pflegte man in Kalifornien immer so lange zu schlafen?
    Er eilte ins Hotel zurück, wo er sie im Foyer vorfand. Sie war sichtlich bester Laune – lächelnd hob sie den Arm und tippte auf ihre Uhr, offenkundig erfreut, dass sie vor ihm eingetroffen war. Angesichts ihrer Kleidung hätte man vermuten können, sie sei heute Morgen hoch zu Ross unterwegs – eng anliegende Reiterhosen, in weiche hohe Lederstiefel gesteckt, Reitjacke aus Tweed, ein Seidentuch mit einem dezenten Hufeisenmotiv

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