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Ein diebisches Vergnügen

Ein diebisches Vergnügen

Titel: Ein diebisches Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mayle
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neigen, leicht ansaugen, et voilà. Kein Tropfen auf dem Kinn. Jetzt sind Sie an der Reihe.«
    Sam übte die Technik, wieder und wieder, doch erst beim vierten Versuch schien Sophie zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass er die hohe Schule des Austernverzehrs beherrschte. Das pädagogische Intermezzo hatte sie ermutigt, sich zu entspannen und Ihrem eigenen Wissensdurst freien Lauf zu lassen; sie erkundigte sich, wo Sam gelernt hatte, ein Juwel auf der Weinliste zu erkennen, sobald ihm ein solches unter die Augen kam. Von diesem Punkt an geriet die Unterhaltung in Fluss, und als die Gänsebrust eintraf, fühlten beide sich jeweils rundum wohl in der Gesellschaft des anderen.
    Sam rüstete sich innerlich für das Ritual, den Wein zu probieren, wohl wissend, dass dabei das Auge einer Expertin auf ihm ruhte. Er hielt sein Glas gegen das Licht, um die Farbe des Weins zu studieren. Behutsam ließ er das Glas kreisen. Tief zog er das Aroma in die Nase ein, nicht nur ein oder zwei Mal, sondern drei Mal. Er schlürfte eine kleine Menge Wein
und behielt sie einige Sekunden lang prüfend im Mund, bevor er sie schluckte. Dann sah er Sophie an und tippte an den Rand seines Glases.
    »Poesie in der Flasche.« Seine Stimme war leise, und in ihr schwang sowohl Ironie als auch Respekt mit. »Robust, aber elegant. Enthält die Andeutung von Bleistiftspänen – und was ist das? Entdecke ich da einen Anflug von Tabakaroma? Wunderbar strukturiert, langer Abgang.« Seine Stimme nahm wieder ihren normalen Tonfall an. »Wie fanden Sie mich?«
    »Nicht schlecht « , gestand Sophie. »Wesentlich besser als Ihr Umgang mit den Austern.«
    Sie aßen und tranken mit Bedacht, und Sophie erzählte Sam eine ihrer liebsten Weingeschichten, die sich zufälligerweise in einem Restaurant in Amerika zugetragen hatte. Die Gäste hatten ein Flasche 1982er Petrus bestellt, zum Preis von sage und schreibe sechstausend Dollar. Sie wurde mit gebührendem Respekt und Vergnügen geleert. Eine zweite Flasche wurde geöffnet, die abermals sechstausend Dollar kostete. Aber sie schmeckte anders, merklich anders, und wurde zurückgeschickt. Der Besitzer des Restaurants, gebührlich zerknirscht, zauberte eine dritte Flasche Petrus des gleichen Jahrgangs herbei. Zum Glück wurde sie genauso gut wie die erste beurteilt.
    Als die Gäste gegangen waren, ließ der verwirrte Restaurantbesitzer die drei Flaschen von einem Experten untersuchen, der das Problem mit der zweiten Flasche auf Anhieb entdeckte. Im Gegensatz zu den beiden anderen war sie echt.
    »Ich weiß, warum Ihnen diese Geschichte gefällt«, sagte Sam. »Weil sie zeigt, wie einfältig und banausisch Amerikaner sein können, wenn es sich um Wein handelt.« Er wedelte mit dem Finger, auf Sophie deutend. »Dem kann ich nur
einen Namen entgegenhalten: Robert M. Parker. Der amerikanische Weinjournalist, dessen Weinbewertungen mit den Parker-Punkten immerhin zur Preisbildung auf dem internationalen Weinmarkt beitragen.«
    Sie schüttete den Kopf, noch bevor er den Satz beendet hatte. »Nein, nein, so war das nicht gemeint. Die Episode könnte sich genauso gut in Frankreich zugetragen haben. Hier führen wir Blindproben durch, wie Sie vielleicht wissen, und es ist schon vorgekommen, dass die Verkoster einen Weißwein mit Zimmertemperatur mit einem Roten verwechselt haben. Nein, die Geschichte finde ich deshalb so gut, weil sie eine Lektion enthält.« Sie nahm ihr Glas und umfasste es mit beiden Händen. »Es gibt keinen perfekten Gaumen.«
    Sam war davon nicht restlos überzeugt, aber er ließ das Thema auf sich beruhen. Er sah, dass die Flasche noch lange nicht leer war, und hatte das Bedürfnis, sich reichlich nachzuschenken. »Nun, Frau Professor, was halten Sie von ein wenig Käse?«
    Sophie lächelte, als sie sich vorbeugte. »Dazu kann ich nur ein Wort sagen.« Sie wedelte mit dem Finger, auf Sam deutend. »Camembert.«
    Und der Camembert kam, delikat und würzig, die einzig würdige Art, eine Mahlzeit zu beenden, wie sie übereinstimmend fanden.
    Als sie sich nach dem Abendessen trennten, ertappte sich Sam dabei, wie er ihr nachsah. Eine attraktive, stilbewusste und stolze Frau, dachte er. In dieser Nacht träumte er davon, Elena beizubringen, Austern à la française zu essen.
    Auch Sophie hatte positive Erinnerungen an ihre erste Begegnung mit Sam. Seine Gesellschaft war angenehm, er schien sich mit Wein auszukennen, und sein leicht ramponiertes
äußeres Erscheinungsbild war nicht unattraktiv. Und er

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