Ein diebisches Vergnügen
Vormittags damit verbracht, sich mit taktischem Geschick einen Weg durch die verschiedenen Schutzschichten in Rebouls Entourage zu bahnen. Schließlich war es ihr gelungen, bis ins Allerheiligste, in das Büro seiner Privatsekretärin, vorzudringen, nur um zu erfahren,
dass Monsieur Reboul eine Sitzung mit seiner Poweryoga-Lehrerin habe und nicht gestört werden dürfe. Die Sekretärin hatte versprochen, zurückzurufen.
»Was hast du ihr erzählt?«, erkundigte sich Philippe.
Sophie schilderte in groben Zügen die Geschichte, die sie sich als Tarnung ausgedacht hatten, und Philippe nickte zustimmend, während sie ihre derzeitige Reinkarnation als Buchmacherin beschrieb.
»Das könnte funktionieren«, sagte er, als sie geendet hatte. Dann holte er einen dicken Ordner aus seinem von Wind und Wetter gegerbten Nylonrucksack. » Voilà : Rebouls Dossier. Ich habe die interessanten Informationen ausgedruckt, damit ihr keinen Computer braucht, um sie zu lesen. Ihr könnt daraus entnehmen, wie gern er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, und wenn Fotos hinzukommen, umso besser. Genau wie die Politiker.« Er schnitt eine Grimasse. »Na ja, vielleicht nicht ganz so schlimm. Hier, werft doch bitte mal einen Blick darauf.« Er öffnete den Ordner und begann, den Inhalt auf dem Tisch auszubreiten.
Die Aufnahmen zeigten den Unternehmer in allen Lebenslagen: Reboul, der Baulöwe, mit Sicherheitshelm auf einer seiner Baustellen; Reboul, der Zeitungsmagnat, mit hochgekrempelten Ärmeln in einem Raum, der einer Lokalredaktion glich; Reboul im Fußballdress, der mit Spielern von Olympique Marseille plauderte; Reboul mit ausgefranstem Strohhut, die Rebschere im Anschlag, im trauten Umgang mit einem Bündel Weintrauben; Reboul, das Flieger-Ass, das gerade an Bord seines Privatjets gehen wollte; Reboul, der Seebär, am Steuer seiner Jacht; und, in einer Vielzahl unterschiedlicher Gewandungen, die von Geschäftsanzug bis T-Shirt und Shorts reichten, als stolzer Hausbesitzer, in seinem Palais du Pharo. Eine Studie von besonderem Interesse
war Reboul, der Weinkenner, der vor einem unendlich langem Regal mit Flaschen ein Glas Wein gegen das Licht hielt; die Aufnahme stammte vermutlich aus seinem Keller.
Sam rechnete halb damit, auf ein Foto von Reboul im Pyjama zu stoßen, aber vielleicht blieb dem Hansdampf in allen Gassen keine Zeit zum Schlafen. »Ganz schön umtriebig, der Kerl«, meinte Sam. »Hat er eigentlich einen Leibfotografen?«
Philippe grinste. »Mindestens einen. Redakteure, die ihn gut kennen, machen sich oft nicht einmal mehr die Mühe, einen Fotografen zu ihm zu schicken, wenn sie über ihn schreiben. Sie bedienen sich aus dem Fundus.«
»Was ist mit der Ehefrau? Gibt es eine Madame Reboul?«
»Die gab es. Sie starb vor einigen Jahren, aber er hat nie wieder geheiratet. Was nicht bedeutet, dass er nicht eine oder zwei Gespielinnen hat.« Philippe blätterte in den Artikeln, bis er auf ein Foto von Reboul und einer umwerfend hübschen jungen Frau stieß, die ihn um Haupteslänge überragte. »Kleine Männer mit dicker Brieftasche«, fügte er hinzu. »Sie haben meistens die intensivsten Frühlingsgefühle und stehen beinahe ausnahmslos auf große Frauen. Stimmt’s, Sophie?« Er sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Sie verzog das Gesicht, doch bevor sie antworten konnte, klingelte ihr Handy. Die beiden Männer sahen ihr nach, als sie aufstand und sich ein paar Schritte entfernte, um den Anruf entgegenzunehmen. Das Gespräch war kurz, und wie es schien, erfreulich, denn Sophie strahlte, als sie an den Tisch zurückkehrte. »Unser Termin: heute Abend achtzehn Uhr dreißig«, sagte sie. »Es geht nur heute, weil er morgen sein Boot nach Korsika überführen und ein paar Tage unterwegs sein wird.«
»Klasse«, sagte Sam. »Gut gemacht. Sie haben eine große Zukunft im Verlagswesen vor sich. Also, was brauchen wir
für dieses Rendezvous? Auf alle Fälle muss ich mir schleunigst eine Kamera besorgen.«
»Und ich brauche dringend etwas zum Anziehen«, erklärte Sophie. »Etwas Geschäftstaugliches.«
Philippe blickte auf seine Uhr. »Und ich bräuchte ein Mittagessen. Ohne Mittagessen gehe ich ein wie eine Primel. Ich kenne da ein Lokal, typisch Marseille . Wir können während des Essens über die Einzelheiten sprechen.«
Das Taxi setzte sie an der Ecke Rue de Village ab, einer Seitenstraße der Rue de Rome. Philippe führte Sam und Sophie zu einem Geschäft, das wie eine gewöhnliche Metzgerei aussah. Das
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