Ein diebisches Vergnügen
der Wein jetzt im Besitz dieses Reboul befindet?«
»So ist es.«
»Und wenn es so wäre, wie willst du das beweisen?«
»Dazu fällt mir schon noch etwas ein.« Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. »Elena, du klingst nicht sonderlich begeistert.«
»Ich habe mir aus unserem Pariser Büro die Personalakte von Sophie Costes zuschicken lassen.«
»Und?«
»Sie enthält einen Lebenslauf nebst Bild. Sie entspricht nicht genau deiner Beschreibung.« Sam spürte beinahe den eisigen Hauch, der vom anderen Ende der Leitung zu ihm herüberdrang. »Gute Nacht, Sam.« Die Leitung war tot, bevor er eine Chance hatte, zu antworten.
15. Kapitel
S am war früh auf den Beinen. Er haderte immer noch mit sich selbst wegen des Telefongesprächs am Vorabend. Er hätte Elena zurückrufen und ihr die Situation erklären sollen. Nein, lieber doch nicht. Schluss mit diesen Selbstvorwürfen! Wenn sie voreilige Schlussfolgerungen ziehen wollte, bitte sehr, das war schließlich nicht sein Problem. Er lief auf und ab, überkommen von einem Gefühl des déjà-vu, gegen das er machtlos war. So hatten ihre Streitigkeiten früher oft begonnen: Misstrauen ihrerseits, Sturheit seinerseits. Diese Konstellation hatte für eine stürmische Beziehung gesorgt, in der Turbulenzen geradezu vorprogrammiert waren – doch dafür waren, wie er sich eingestehen musste, die Versöhnungsakte danach umso befriedigender. Er verdrängte die süßsauren Erinnerungen mit einem Achselzucken und wandte seine Aufmerksamkeit dem Dossier über Reboul zu, das Philippe ihm überlassen hatte.
Sams Französisch war alles andere als fließend, doch während er sich durch die verschiedenen Artikel kämpfte, gelang es ihm, das Wesentliche des Inhalts zu erfassen. Ein ständig wiederkehrendes Thema – ungeachtet der Rolle, die Reboul dabei spielte, gleich ob Zeitungsmogul oder Freibeuter des Mittelmeeres – war die Glorie Frankreichs und all dessen, was diese Nation ausmachte: Kultur, Sprache, Küche, Weine,
Weingüter, Mode, französische Frauen, französische Fußballspieler, die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Sogar die TGV-Hochgeschwindigkeitszüge erfreuten sich, obwohl Reboul nie einen Fuß hineingesetzt hatte, seiner vollmundigen Unterstützung. Und es gelang ihm, den Anschein zu erwecken, als wäre er maßgeblich an der Erschaffung all dieser Wunderwerke beteiligt gewesen.
Rebouls einziges Zugeständnis an die Möglichkeit, dass Frankreich doch nicht das Paradies auf Erden sein könnte, fand in der Geringschätzung seinen Niederschlag, die er den fonctionnaires entgegenbrachte, der grauen, gesichtslosen Armee der Bürokraten, die wie ein Heuschreckenschwarm jeden Bereich der französischen Lebenswelt heimsuchten. Diesem Steckenpferd widmete er sich jedes Frühjahr in aller Öffentlichkeit, wenn er sich im Rahmen einer Pressekonferenz zu seiner Einkommensteuer äußerte; ein Akt, mit dem er die fête du fisc einläutete, das Fest des Fiskus. Nicht zufrieden damit, lediglich zu offenbaren, wie viel Steuern er berappen musste, setzte er noch eins drauf, indem er die Summe in die Entsprechung der Gehälter von Staatsdienern und Beamten übersetzte. Dieses Rechenexempel bot ihm einen idealen Ausgangspunkt, um seine alljährliche Schimpfkanonade gegen die Faulheit, Unfähigkeit und Verschwendung der Bürokratie vom Stapel zu lassen, die für die Boulevardpresse stets ein gefundenes Fressen war. Doch das war auch schon alles, was er zu bemängeln hatte – ein einziger Schandfleck in einer ansonsten vollkommenen französischen Landschaft.
Unter den Milliardären war Francis Reboul ein Außenseiter. Die Mehrzahl zog es vor, ein Leben lang zwischen den Steuerparadiesen Nassau, Genf und Monaco hin und her zu pendeln, ständig auf der Hut, weil sich die Steuergesetze über Nacht ändern konnten. Sam konnte nicht umhin, Sympathie
für einen Mann zu empfinden, der bereit war, den Preis für ein Leben in dem Land zu bezahlen, das er offenkundig liebte. Mit einem zustimmenden Nicken schloss er das Dossier und fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten in die Lobby, wo er mit Sophie verabredet war.
Florian Vial wartete vor dem Haupteingang des Palais du Pharo auf sie. Hätten sie nicht gewusst, dass er Rebouls Kellermeister war, hätten sie ihn vielleicht für einen Professor oder für einen armen Poeten gehalten, der unverhofft eine Glückssträhne hatte. Trotz der milden Frühlingstemperaturen war seine Kleidung – ein flaschengrüner Anzug aus dickem Cordsamt
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