Ein diebisches Vergnügen
angesichts des Panoramas, als wollte er bestätigen, dass es seinen hohen Ansprüchen genügte.
Nur wenige Kilometer von der Küste entfernt wurde eine eng zusammengedrängte, schattige kleine Inselgruppe sichtbar. Sophie deutete auf die nächstliegende. »Das ist Château d’If, oder?«
»Ganz richtig, meine Liebe. Sie haben Ihren Alexandre Dumas offenbar nicht vergessen. Dort wurde der Graf von Monte Christo gefangen gehalten. Viele Besucher sind überzeugt, dass es ihn tatsächlich gegeben hat.« Er lachte stillvergnügt in sich hinein. »So viel über die Macht, die ein gutes Buch ausüben kann.« Er wandte sich vom Fenster ab und nahm Sophies Arm. »Was mich an den Grund Ihres Besuches erinnert. Setzen wir uns doch, dann können Sie mir alles darüber erzählen.«
Reboul geleitete sie zu einer Gruppe von Sesseln und Sofas aus dem neunzehnten Jahrhundert; sie waren um einen runden Tisch arrangiert, der vor Goldbronze strotzte. Bevor er Platz nahm, holte er sein Handy hervor und drückte eine Taste. Der junge Mann im dunklen Anzug, der draußen auf der Lauer gelegen haben musste, erschien mit einem Tablett, das er auf dem Tisch abstellte. Er nahm eine Flasche Champagner aus dem Eiskübel und zeigte sie Reboul, der mit einem Nicken grünes Licht gab, bevor sie geöffnet wurde. Der Korken entwich mit einem sanften Plopp, der einem leisen Seufzer glich. Der junge Mann schenkte ein, stellte die Gläser vor sie hin und verschwand.
»Ich hoffe, Sie mögen Krug«, sagte Reboul.
Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und schlug die Beine übereinander, wobei er Slipper aus schwarzem Krokodilleder und schlanke, tiefbraune, nackte Fesseln entblößte. »Verzeihen Sie bitte die fehlenden Socken«, fuhr er fort. »Aber ich hasse Socken. Zu Hause trage ich nie welche.« Er hob sein Glas und warf Sophie ein Lächeln zu. »Auf die schöne Literatur.«
Als Sam und Sophie ihre Verkaufspräsentation geplant hatten, waren sie übereingekommen, dass Sophies Bordeaux-Kenntnisse sie für den Part der Redaktionsleiterin prädestinierte; ihr oblag die Auswahl der Weinkeller, die in dem geplanten Bildband Eingang finden sollten. Nach einem Schluck Champagner, um ihre unversehens trockene Kehle zu befeuchten, gab sie Reboul einen allgemeinen Überblick über das Projekt, wobei sie hin und wieder die Namen renommierter professioneller Weinkeller einfließen ließ, die für eine Erwähnung im Buch in Betracht kamen – die berühmten Restaurants und Hotels in aller Welt und natürlich der Élysée-Palast. Reboul hörte aufmerksam zu, wobei
seine Augen gelegentlich von Sophies Gesicht zu ihren Beinen glitten, die er einer unschicklichen, wenngleich unauffälligen Musterung unterzog.
Als sie zum Hauptanliegen des Buches kam – die exklusivsten Privatkeller der Welt – nahm Rebouls Interesse spürbar zu. Er wollte wissen, mit wem sie, außer ihm, Kontakt aufgenommen hatten. Diese Frage hatte Sophie erwartet, und sie betete ohne zu zögern die Namen einer Handvoll englischer Aristokraten, einiger bekannter amerikanischer Industriekapitäne, des reichsten Mannes von Hongkong, einer schottischen Witwe, die abgeschieden in einer Burg auf einem Anwesen von mehr als zwölftausend Hektar in den Highlands lebte, und zweier oder dreier der besser bekannten Familien aus Bordeaux und aus der Bourgogne herunter.
Sophie fand sich immer besser in ihre Aufgabe, und Reboul erwärmte sich zunehmend für sie. Jetzt beugte sie sich zu ihm hinunter, um ihrem Argument Nachdruck zu verleihen: Kandidaten für den Bildband müssten drei Voraussetzungen erfüllen, erklärte sie. Erstens musste es sich um Personen des öffentlichen Lebens handeln, die genug Geschmack und Geld hatten, um eine bemerkenswerte Weinsammlung anzulegen. Zweitens mussten sie auch jenseits ihrer Liebe zum Wein interessant sein – oder, in Sophies Worten, ein Leben außerhalb des Kellers aufweisen. Und drittens mussten auch die Weinkeller auf die eine oder andere Weise außergewöhnlich sein. Sie führte zwei Beispiele an: einen englischen Earl, der seine Weine am Ende der Gartenanlage in einem hoch aufragenden viktorianischen Zierbau lagerte und im Aufzug eine elektronische Feuchtigkeitskontrolle installiert hatte; und einen Amerikaner, der eine ganze Etage seiner dreistöckigen Triplex-Wohnung in der noblen Park Avenue für seine Weinsammlung abgezweigt hatte. Auch ohne die Kellergewölbe
des Palais du Pharo gesehen zu haben, könne sie sich vorstellen, dass diese ebenfalls
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