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Ein diebisches Vergnügen

Ein diebisches Vergnügen

Titel: Ein diebisches Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mayle
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und gedieh. Der junge Florian, ein Einzelkind, besuchte die Universität und ließ Anzeichen einer vielversprechenden Begabung erkennen. Die Zukunft sah rosig aus.
    Diese Zukunft löste sich in einer Winternacht in Marseille auf entsetzliche Weise in Luft auf. Es war eines jener seltenen Jahre, in denen die Stadt von Schnee und überfrierender Nässe heimgesucht wurde. Die Straßen waren spiegelglatt, eine schwarze Eisfläche, Wetterbedingungen, denen nur wenige Autofahrer in der Provence gewachsen waren. Vials Eltern hatten ein Kino besucht und befanden sich auf der Heimfahrt, als ein Lastwagen seitwärts in ihren Pkw schlitterte und ihn gegen eine Betonmauer quetschte. Die Insassen waren auf der Stelle tot.
    Von dem Zeitpunkt an veränderte sich Florians Leben von Grund auf. Reboul nahm den Sohn seines Freundes unter seine Fittiche. Er ermutigte sein aufkeimendes Interesse am Wein und zahlte ihm einen sechsmonatigen Vitikulturkurs am Weininstitut von Carpentras, gefolgt von einer einjährigen Lehre bei Weinhändlern der Bourgogne und Bordeaux. Noch während er sich bei den Weinhändlern die Sporen verdiente, wurde offensichtlich, dass der junge Mann einen außergewöhnlichen Gaumen besaß. Diese Vermutung
bestätigte sich im abschließenden halben Jahr in Paris unter der Ägide des legendären Hervé Bouchon, seinerzeit der beste Sommelier in ganz Frankreich. Auf Bouchons Empfehlung hin beschloss Reboul, den jungen Vial als caviste seines Konglomerats ins Boot zu holen, mit der Aufgabe, den besten Privatkeller in Frankreich aufzubauen, und stellte ihm zu diesem Zweck ein großzügig bemessenes Budget zur Verfügung.
    »Das ist schon lange her«, sagte Vial. »Annähernd dreißig Jahre. Ich weiß nicht, wo ich heute ohne ihn wäre.« Seine nachdenkliche Miene hellte sich auf, als der Kellner erschien, um die Bestellungen für den letzten Gang entgegenzunehmen. »Wenn Sie gestatten, würde ich zum Dessert gerne einen Wein bestellen, der den Sauternes so nahe wie möglich kommt, für die ihr Bordelesen ein Händchen habt. Ein Glas muscat aus Beaumes-de-Venise. Könnte ich Sie dazu verführen?«
    Vials Lebensgeschichte hatte Sophie in Verwirrung gestürzt, und sie begann insgeheim zu hoffen, dass Reboul sich keiner Straftat schuldig gemacht hatte. Und wenn doch, flüsterte ihr eine leise innere Stimme zu, wäre es jammerschade, wenn er erwischt würde. Sie warf einen verstohlenen Blick auf ihre Uhr und fragte sich, wie Sam vorankam.

    Der Mann für die Fingerabdrücke, den Philippe aufgespürt hatte, hieß Grosso, ein schmächtiger, tadellos gekleideter Bursche mit einem schwarzen Attachékoffer, den er als seine »Trickkiste« bezeichnete. Kurz vor eins waren sie in einem unauffälligen Zivilfahrzeug vorgefahren; Sam wartete bereits an der Tür auf sie. Es war Philippes erster Besuch in einem
solchen Keller, und der Anblick der Flaschen, die sich Reihe um Reihe unter der endlosen Weite der Gewölbedecken aus rosafarbenem Backstein erstreckten, verschlug ihm beinahe die Sprache. »Merde« , war alles, was er sagen konnte. »Merde.« Grosso stieß einen leisen Pfiff aus.
    Sam führte sie zu der Kiste, in der sich die Magnumflaschen Petrus befanden. Grosso warf einen flüchtigen Blick darauf, öffnete seinen Attachékoffer und holte eine Halogentaschenlampe, mehrere Pinsel, eine flaches schwarzes Behältnis und einen kleinen Plastikkanister hervor. Er beugte und streckte die Finger. »Müssen wir uns alle Flaschen anschauen?« Er sah Sam an. Sam nickte. »Brauchen Sie eine DNA?« Abermals ein Nicken. Philippe war damit beschäftigt, sich Notizen zu machen. Er sah, wie sein Exklusivbericht Formen annahm, und je mehr Einzelheiten er in dieser kritischen Phase sammeln konnte, desto besser. Er stellte sich an Grossos Seite, um ja nichts zu verpassen.
    »Monsieur Grosso«, sagte er. »Ich möchte Sie nicht stören, aber Ihre Arbeit fasziniert mich. Könnten Sie mir vielleicht ein wenig davon erzählen?«
    Ohne Philippe anzuschauen, winkte Grosso ihn näher. Er hatte die erste Magnumflasche auf den Boden gelegt und ließ den Strahl seiner Taschenlampe darüber gleiten. »Zuerst erfolgt die visuelle Untersuchung, um die Oberfläche auf Fingerabdrücke zu überprüfen«, erwiderte er. Er richtete den Winkel seiner Taschenlampe neu aus. »Einige sind nur zu erkennen, wenn man indirektes Licht benutzt.« Brummend legte er die Taschenlampe hin, schraubte den Deckel des Kanisters auf und hielt ihn schräg, sodass Philippe einen

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