Ein diebisches Vergnügen
Blick auf den Inhalt werfen konnte. »Fingerabdruckpulver für metallische Oberflächen, Glas usw. Dieses hier wurde aus Aluminium gewonnen – es hat eine hohe Sensitivität bei der
Entwicklung von Abdrücken und lässt sich problemlos abnehmen.« Er begann mit einem seiner Pinsel das Pulver aufzustäuben, sparsam und mit kreisenden Bewegungen. »Das ist ein sogenannter Zephyr-Pinsel; Karbonfaser mit einem Mopp-Pinselkopf, der die Spurensicherung erleichtert.« Er beendete das Einstäuben, öffnete das schwarze Behältnis und entnahm ihm einige Streifen durchsichtiges Klebeband. »Nun nehme ich die Fingerabdrücke ab.« Seine Finger mit außerordentlicher Gewandtheit und Präzision bewegend, brachte er das Klebeband auf die verstreuten Abdrücke auf; dann zog er die Streifen ab, bevor er sie auf ein transparentes Acetat-Blatt legte. » Voilà. Sehen Sie? Dank dieser Technik braucht man keine Fotografien mehr.« Die erste Magnumflasche kehrte an ihren Platz zurück. Grosso ging zur zweiten über.
Sam hatte das Ritual genau beobachtet. Es schien ihm quälend langsam vonstattenzugehen. Er tippte Philippe auf die Schulter und flüsterte ihm zu: »Besteht die Möglichkeit, den Vorgang zu beschleunigen?«
Philippe kniete sich neben Grosso auf den Boden, um ihn zu fragen. Sam konnte die Erwiderung nicht hören, aber sie glich eher einem Grollen als einer Antwort, und Philippe grinste, als er zu Sam aufsah.
»Er hat gesagt, dass er nicht schneller tanzen kann, als die Musik spielt. Ich denke, das heißt, wir sollen ihn in Ruhe arbeiten lassen.«
Sam sagte sich, dass Grossos mühselige Fortschritte ihm noch langsamer vorkommen würden, wenn er danebenstand und zuschaute, deshalb eilte er davon, zum anderen Ende des Kellers. Sein Blick fiel auf einen Haufen Kartons, der fein säuberlich in einer Ecke aufgestapelt und hinter Vials Golfmobil halb verborgen war. Die Kartons waren mit der gestochenen, kunstvollen Schrift markiert, die er automatisch
mit den Erzeugnissen von Weingärten in Verbindung brachte: Domaine Reboul, St. Helena, Kalifornien. Er erinnerte sich, in Rebouls Dossier etwas über ein Weingut in Napa Valley gelesen zu haben, und öffnete einen der Kartons, um einen Blick auf das Etikett zu werfen, das für diesen amerikanischen Wein benutzt wurde. Doch der Karton war leer. Genau wie der nächste und der übernächste.
Er rief im Hotel an, um zu hören, ob eine Sendung von FedEx für ihn angekommen war. Noch nichts. Um Geduld bemüht, zog er sich in das beeindruckende Areal der Rue de Corton-Charlemagne zurück und sann erneut über die Frage nach, die ihm seit einigen Tagen immer wieder im Hinterkopf herumspukte: Was sollte er tun, falls die Fingerabdrücke übereinstimmten? Vial zur Rede stellen? Die Polizei einschalten, auf offiziellem Weg? Helena und Knox Insurance das Problem überlassen? Alles zugleich? Oder lieber nichts dergleichen?
Die Minuten vergingen wie auf bleiernen Füßen, aber sie vergingen. Als er das nächste Mal auf die Uhr sah, war es immer noch nicht ganz zwei. Er kehrte zu den anderen zurück, um zu sehen, wie Grosso mit den Magnumflaschen vorankam. Nur noch vier, dann hatte er es geschafft.
Mit Sophie war ausgemacht, dass sie einen Abstecher auf die Damentoilette machen und ihm Bescheid sagen würde, sobald Vial und sie im Begriff waren, das Restaurant zu verlassen.
Grosso setzte seine Arbeit fort; kaltblütig, ruhig, methodisch.
»Köstlich!«, sagte Sophie nach dem ersten Schluck Beaumes-de-Venise. »Eine runde Sache, nicht zu süß und nicht zu herb. Herrlich.« Sie hob anerkennend ihr Glas und prostete
Vial zu, der angesichts ihrer Reaktion nickte und lächelte. Natürlich machte er einige Bemerkungen über die Herkunft des Dessertweins.
»Der Name der Rebe leitet sich, aus historischer Sicht, von der italienischen Bezeichnung moscato her. Das bedeutet Moschus. Moschus erfreut sich bei Rotwild großer Beliebtheit.« Vial gestattete sich ein verschmitztes Zucken der Augenbrauen. »Dieser Duftstoff übermittelt – wie soll ich es formulieren – eine Einladung an Rotwildexemplare des anderen Geschlechts. Moschus wird auch als Bestandteil von Parfüms verwendet und hat, wenn es von Menschen benutzt wird, angeblich eine ähnliche Wirkung.« Er hob sein Glas, hielt es an die Nase und nahm einen langen, gedankenvollen Atemzug. »Zart, sehr feminin – und ein Hauch Moschus, ohne Frage. Viele Süßweine sind gespritet, das heißt, sie werden mit Weingeist oder anderen
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