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Ein diebisches Vergnügen

Ein diebisches Vergnügen

Titel: Ein diebisches Vergnügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mayle
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Haushälterin erhob sich hinter dem kunstvoll verzierten kleinen Schreibtisch vor dem Fenster, wo sie sich Notizen gemacht hatte, und ging ihnen entgegen, charmant lächelnd, aber der letzte Mensch, den Sam in diesem Augenblick gebrauchen konnte.
    Er erwiderte das Lächeln mit aufgesetzter Liebenswürdigkeit. »Ich bin froh, dass wir Sie noch erwischen. Ich habe gerade einen Anruf erhalten, ich muss dringend zu einer Besprechung in der Stadt, die ich ganz vergessen hatte, aber ich möchte mich noch bei Ihnen bedanken, bevor ich gehe. Sophie wird die letzten Aufnahmen übernehmen.«
    Die Haushälterin setzte eine diplomatische Miene auf, mit der es ihr gelang, sowohl Enttäuschung als auch Verständnis zum Ausdruck zu bringen. »Wie schade, dass Sie so überstürzt aufbrechen müssen.« Sie machte Anstalten, ihn zur Tür zu begleiten. »Ich bringe Sie -«
    Sam hob die Hand. »Nein, nein, um Gottes willen. Bitte machen Sie meinetwegen keine Umstände. Ich finde allein hinaus. Nochmals danke.« Und damit verließ er eilends das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Er durchquerte die Haupteingangshalle und schlüpfte in den Speisesaal. Auf Zehenspitzen an dem Tisch für zwanzig Personen und den Gobelinstühlen mit den hohen Rückenlehnen
vorbeischleichend, gelangte er in den Alkoven, der als Servierbereich diente, und zu der schweren Schwingtür, die in die Küche führte. Er legte das Ohr an den Spalt zwischen Tür und Wand und lauschte: Es war nichts als das gedämpfte Summen von Kühlschränken zu hören. Er durchquerte den Küchentrakt, vorbei an den blinkenden Gerätschaften aus Edelstahl und Kupfer, und betrat die hintere Küche. Vor ihm befand sich die Tür zur Treppe, die in den Weinkeller hinunter führte. Sie war verschlossen. Damit hatte er gerechnet. Er seufzte und warf einen Blick auf seine Uhr: achtzehn Uhr fünfzehn. Sophie war um achtzehn Uhr dreißig mit Vial verabredet und würde ihn in die Hotelbar bringen.
    Sam rüstete sich innerlich für eine unbequeme Viertelstunde und öffnete die Tür des Speiseaufzugs. Wie hatte Vial gesagt? »Das ist der ›Flaschenaufzuglift‹. Bei dieser Form der Beförderung gibt es keine Turbulenzen. Der Wein kommt völlig entspannt an.« Sam konnte nur hoffen, dass es ihm selbst nun genauso ergehen würde.
    Der Flaschenlift war kaum mehr als ein längliches Behältnis, von Hand zu betätigen durch einen altmodischen Flaschenzug, eine Kombination aus Seil und Rollen. Aber er befand sich in gutem Zustand, war allem Anschein nach stabil genug, das Gewicht von einem halben Dutzend Weinkisten zu tragen, und hoch genug, mehrere Kisten übereinanderzustapeln. Das Ganze ähnelte doch sehr einem Sarg. Sam versuchte, diese Assoziation zu verbannen, als er das dicke Seil ergriff, mit dem der Flaschenzug betätigt wurde, und sich vorsichtig in den engen Raum quetschte. Er zuckte zusammen: Der Aufzug hatte unter seinem Gewicht verräterisch geknarzt. Das könnte Vial auch in der Entfernung noch gehört haben. Er schloss die Tür und holte tief Luft. Die Dunkelheit, die ihn umgab, roch leicht muffig nach Korken
und abgestandenem Wein, Andenken an eine Flasche, die während ihrer Reise in höhere Gefilde ausgelaufen sein musste. Er ließ das Seil des Flaschenzugs durch seine Hände gleiten, beförderte sich langsam und mit unendlicher Behutsamkeit nach unten, bis er einen dumpfen Aufschlag verspürte, der ihm sagte, dass er im Kellergeschoss angekommen war.
    Florian Vial verlieh dem flotten Aufwärtsschwung seines Schnurrbartes den letzten Schliff und schritt durch den Keller zur Treppe, die ins Haus führte, wobei er nur noch wenige Meter von dem Flaschenlift entfernt war. Er freute sich auf das Wiedersehen mit Sophie, umso mehr nach ihrem Anruf, in dem sie ihm mitteilte, dass Sam leider nicht mitkommen könne. Ein netter junger Mann, keine Frage, doch Vial zog ein tête-à-tête mit Sophie entschieden vor, und das traute Beisammensein hatte den zusätzlichen Vorteil, dass sie Französisch parlieren konnten, ein Sprache, die wie geschaffen war für Galanterien.
    Sam hörte Schritte auf den Steinplatten des Kellerbodens und erstarrte. Dies hier war Vials Reich, der Mann hatte gewiss Intuition und ahnte jede Abweichung vom normalen Lauf der Dinge. Hatte er vielleicht das Knarzen gehört? Dann wüsste er, dass der Lift gerade für hinterhältige Zwecke missbraucht wurde. Wenn ich mich nur unsichtbar machen könnte, dachte Sam, während die Schritte näher kamen. Sie dröhnten

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