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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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geschickt hat«, knurrte Gertrudis, langsam, bestimmt. Und mit einem erneuten Seufzer und einem Ausdruck unendlicher Müdigkeit: »Mit vielen. Nicht nur Pensionsgästen. Manchmal auch mit Kerlen von der Straße.«
    »Die Dragonerin hat sie dir geschickt?« Er konnte kaum sprechen, ihm brummte der Schädel.
    Gertrudis blieb ruhig sitzen, ungreifbar, eine Silhouette ohne Konturen, die Hände weiterhin gefaltet. Und schaute ihn mit dieser abwesenden, still leuchtenden Festigkeit an, die Felícito immer mehr verstörte.
    »Sie hat sie ausgewählt, und kassiert hat sie auch, nicht ich«, sagte seine Frau mit einem leichten Wechsel im Tonfall, als wollte sie ihm jetzt nicht nur berichten, sondern ihn herausfordern. »Wer sollte Miguels Vater schon sein. Ich weiß es nicht. Irgend so ein Weißer, einer von diesen Gringos, die durch die Pension zogen. Vielleicht auch einer von den Jugoslawen, die hier die Bewässerungskanäle am Río Chira gebaut haben. An den Wochenenden kamen sie nach Piura, um sich zu besaufen, und landeten in der Pension.«
    Felícito bedauerte das Gespräch. War es ein Fehler gewesen, dieses Thema, das ihn sein Leben lang wie ein Schatten verfolgte, aufs Tapet zu bringen? Aber jetzt war es da, mittenunter ihnen, und er wusste nicht, wie er es loswerden sollte. Es war wie eine einzige Belästigung, ein Eindringling, der das Haus nie wieder verlassen würde.
    »Wie viele hat die Dragonerin dir ins Bett geschickt?«, brüllte er. Bestimmt würde er gleich wieder ohnmächtig oder müsste sich erbrechen. »Ganz Piura?«
    »Ich habe sie nicht gezählt«, sagte Gertrudis gefasst und zog nur ein abfälliges Gesicht. »Aber da es dich so interessiert, sage ich noch einmal, es waren viele. Ich habe aufgepasst, so gut es ging. Ich wusste damals nicht viel davon. Die täglichen Einläufe funktionierten, glaubte ich zumindest, das hatte ich von meiner Mutter. Bei Miguel muss etwas passiert sein. Oder ich habe nicht aufgepasst. Ich wollte abtreiben lassen, bei einer Hebamme im Viertel, so einer Art Hexe. Sie wurde Schmetterling genannt, vielleicht hast du sie gekannt. Aber die Dragonerin hat es mir nicht erlaubt. Sie hat sich das mit der Heirat ausgedacht. Ich wollte dich auch nicht heiraten, Felícito. Ich wusste immer, an deiner Seite würde ich nie glücklich. Meine Mutter hat mich gezwungen.«
    Felícito wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Er blieb ruhig, dachte nach. Was für eine lächerliche Situation, wie gelähmt dazusitzen, einer dem anderen gegenüber, zum Schweigen gebracht von einer hässlichen Vergangenheit, die plötzlich wieder auflebte, um dem Unglück mit seinem falschen Sohn und mit Mabel noch die Schmach hinzuzufügen, die Schande, den Schmerz, die bittere Wahrheit.
    »Ich habe meine Schuld gesühnt in all den Jahren, Felícito«, hörte er Gertrudis sagen, fast ohne dass sie ihre dicken Lippen bewegte, die Augen auf ihm ruhend, auch wenn sie ihn immer noch nicht sah und weiterhin sprach, als wäre er nicht da. »Habe still mein Kreuz getragen und genau gewusst, dass man für seine Sünden büßen muss. Nicht nur im nächsten Leben, sondern in diesem hier. Ich habe es akzeptiert, habe bereut, was ich getan habe und auch die Dragonerin. Habe für mich und meine Mutter gebüßt. Auf sie bin ich nicht mehr so böse, wie ich es als junges Mädchen war. Ich büße immer noch, undmöge der Herr Jesus Christus mir, wo ich so viel gelitten habe, meine Sünden vergeben.«
    Felícito wollte, dass sie endlich den Mund hielt, wollte gehen. Aber er fand nicht die Kraft, aufzustehen und das Zimmer zu verlassen. Seine Beine zitterten. Wäre ich doch diese brummende Schmeißfliege, dachte er.
    »Du hast mir geholfen, für sie zu büßen, Felícito«, fuhr seine Frau fort, nun etwas leiser. »Und ich bin dir dankbar. Deshalb habe ich dir nie etwas gesagt. Deshalb habe ich dir nie eine Eifersuchtsszene gemacht, dir keine Fragen gestellt, die dich nur bedrückt hätten. Deshalb habe ich immer so getan, als wüsste ich nicht, dass du in eine andere verliebt bist, dass du eine Geliebte hast, die im Gegensatz zu mir nicht alt und hässlich ist, sondern jung und schön. Deshalb habe ich mich nie darüber beklagt, dass es Mabel in deinem Leben gibt, und dir auch nie einen Vorwurf gemacht. Denn Mabel hat mir auch geholfen, meine Schuld zu sühnen.«
    Sie schwieg, wartete, dass Felícito etwas sagte, doch als er den Mund nicht aufmachte, fügte sie hinzu:
    »Ich habe auch nie geglaubt, dass wir dieses Gespräch jemals

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