Ein diskreter Held
deine Stiefmutter ist, ist das kein guter Anfang, Schlaks«, sagte Rigoberto streng.
»Du hast recht, tut mir leid, aber ich bin nicht ganz bei mir«, entschuldigte sich Schlaks; Miki hatte sich wieder seiner alten Manie hingegeben, an den Nägeln zu kauen, unaufhörlich, Finger für Finger, wie besessen. »Du weißt nicht, wie schrecklich es ist, die Zeitungen zu lesen, Radio zu hören, Fernsehen. Dass sie dich Tag und Nacht verleumden, dich ein verkommenes Subjekt nennen, einen Herumtreiber, einen Kokainsüchtigen und was weiß ich. Wo leben wir denn, Onkel!«
»Und es hilft nichts, sich zu beschweren oder sie zu verklagen, es heißt, die Pressefreiheit hätte Vorrang«, jammerte Miki. Er lächelte unvermittelt und wurde wieder ernst. »Egal, wir wissen ja, der Journalismus lebt von Skandalen. Am schlimmsten ist die Polizei. Ist das nicht ungeheuerlich, dass sie uns, nach allem, was unser Vater uns angetan hat, jetzt auch noch für das Verschwinden dieser Frau verantwortlich machen? Solange die Ermittlungen andauern, stehen wir unter Hausarrest und können nicht mal das Land verlassen, ausgerechnet jetzt, wo in Miami das Open beginnt.«
»Was ist das Open?«, fragte Rigoberto neugierig.
»Ein Tennisturnier, das Sony Ericsson Open. Wusstest du nicht, dass Miki ein Tennis-As ist, Onkel? Er hat schon einen Haufen Turniere gewonnen«, erklärte Schlaks. »Wir haben eine Belohnung ausgesetzt für jeden Hinweis, der zu Armidas Aufenthaltsort führt. Eine Belohnung, die wir, unter uns gesagt, gar nicht zahlen könnten. Wir haben einfach nichts, Onkel. So sieht es aus. Wir sind blank. Weder Miki noch mir bleibt ein einziger verdammter Sol. Nur Schulden. Und da wir nun Aussätzige sind, gibt es keine Bank, keinen Geldverleiher, keinen Freund, der für uns einen Centavo lockermachen will.«
»Wir haben nichts mehr, was wir verkaufen oder verpfänden könnten, Onkel Rigoberto«, sagte Miki. Seine Stimme zitterte so sehr, dass er mit großen Pausen sprechen musste und immerzu blinzelte. »Kein Geld, kein Kredit, und dann verdächtigt man uns auch noch einer Entführung oder eines Mordes. Deshalb sind wir zu dir gekommen.«
»Du bist unsere letzte Rettung.« Schlaks nahm seine Handund drückte sie fest, nickte immer wieder, Tränen in den Augen. »Lass uns nicht hängen, bitte, Onkel.«
Rigoberto konnte es nicht glauben. Die beiden Zwillinge hatten all ihren Hochmut und ihre Selbstsicherheit verloren, sie schienen wehrlos, verängstigt, flehten um sein Mitleid. Wie hatten die Dinge sich doch in kurzer Zeit verändert!
»Es tut mir sehr leid, was euch da passiert, meine Neffen«, sagte er, und zum ersten Mal nannte er sie ganz unironisch so. »Ich weiß, geteiltes Leid ist halbes Leid, aber denkt zumindest daran, dass die arme Armida wahrscheinlich noch viel schlimmer dran ist, meint ihr nicht? Umgebracht oder entführt, eine Tragödie. Und auch mir wurde, denke ich, manches Unrecht angetan. Zum Beispiel habt ihr mich der Mittäterschaft bei dem angeblichen Betrug bezichtigt, dem Ismael bei seiner Hochzeit mit Armida zum Opfer gefallen sein soll. Wisst ihr, wie oft man mich zur Polizei vorgeladen hat, zum Untersuchungsrichter? Wisst ihr, was mich die Anwälte kosten? Wisst ihr, dass ich vor Monaten die Europareise stornieren musste, die Lucrecia und ich schon bezahlt hatten? Noch immer komme ich nicht an meine Rente, weil ihr die Auszahlung verhindert habt. Also, wenn es ums Jammern geht, dazu haben wir alle drei Anlass.«
Sie saßen mit gesenktem Kopf da, schweigend, beschämt und verwirrt. Don Rigoberto hörte eine seltsame Melodie dort draußen, auf dem Malecón von Barranco. Wieder die pfeifende Flöte des alten Messerschleifers? Als hätten die beiden ihn herbeigerufen. Miki knabberte an seinen Fingernägeln, Schlaks schaukelte seinen linken Fuß, langsam, immer hin und her. Ja, das war die Melodie des Messerschleifers. Es freute ihn, sie zu hören.
»Wir haben dich angezeigt, weil wir verzweifelt waren, Onkel, Papas Heirat hat uns um den Verstand gebracht«, sagte Schlaks. »Ich schwöre dir, wir bedauern alle diese Unannehmlichkeiten. Das mit deinem Ruhestand wird jetzt sehr schnell gehen, nehme ich an. Wir haben ja auch mit der Gesellschaft nichts mehr zu tun. Papa hat sie an eine italienische Firma verkauft. Ohne uns auch nur darüber zu informieren.«
»Sobald du es sagst, ziehen wir die Anzeige zurück, Onkel«, fügte Miki hinzu. »Das ist genau eine der Sachen, die wir mit dir besprechen
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