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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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ihr arbeiten müsst, und ihr könnt euch vergnügen, Tennis spielen, für den Rest eures Lebens.«
    »Und wenn die Entführer sie umgebracht haben, Onkel?« Schlaks machte ein so dramatisches Gesicht, dass Rigoberto zusammenzuckte. Ja, und wenn man sie umgebracht hatte? Was wäre dann mit dem Vermögen? Bliebe es in den Händen der Banker, Verwalter, Buchhalter und internationalen Kanzleien, die es jetzt nicht nur dem Zugriff dieser beiden abgebrannten Zwillinge entzogen, sondern der Steuereintreiber auf der ganzen Welt?
    »Für dich ist es leicht zu sagen, dass wir auf die Frau zugehen sollen, die uns unseren Vater weggenommen hat, Onkel«, sagte Miki mehr bekümmert als wütend. »Und die außerdem alles bekommen hat, was die Familie hatte, selbst die Möbel, die Kleider und den Schmuck meiner Mutter. Wir haben unseren Vater geliebt. Es tut uns weh, dass er auf seine alten Tage Opfer einer so schäbigen Verschwörung geworden ist.«
    Rigoberto sah ihm in die Augen, und Miki hielt dem Blick stand. Dieser kleine Lump, der Ismael seine letzten Jahre verbittert hatte und ihn und Lucrecia seit Monaten drangsalierte, dieser dreiste Kerl gönnte sich jetzt auch noch ein reines Gewissen.
    »Es gab keine Verschwörung, Miki«, sagte er ruhig und versuchte sich seine Wut nicht anmerken zu lassen. »Dein Vater hat Armida geheiratet, weil er sie lieb hatte. Sie war gut zu ihm und hat ihn getröstet, als deine Mutter starb. Es war eine schwierige Zeit für Ismael, er hat sich sehr allein gefühlt.«
    »Und wie sie ihn getröstet hat. Sie hat sich das arme Würstchen ins Bett geholt«, sagte Schlaks. Er schwieg, als Miki ihm mit energischer Hand bedeutete, die Klappe zu halten.
    »Vor allem aber hat Ismael sie geheiratet, weil er schrecklich enttäuscht von euch beiden war«, fuhr Rigoberto fort, als fände seine Zunge die Wort von allein. »Ja, ich weiß genau, was ich sage, meine lieben Neffen. Ich weiß, wovon ich spreche. Und gleich wisst ihr es auch, wenn ihr mir zuhört und mich nicht weiter unterbrecht.«
    Er hatte immer lauter gesprochen, und die Zwillinge sagten nichts mehr, blickten ihn aufmerksam an, überrascht von seinem ernsten Ton.
    »Soll ich euch sagen, warum er so enttäuscht von euch war? Nicht weil ihr auf der faulen Haut gelegen oder einen draufgemacht und gesoffen habt oder gekifft und gekokst wie die Weltmeister. Nein, nicht, das konnte er verstehen, sogar verzeihen. Obwohl er sich von seinen Söhnen natürlich anderes gewünscht hätte.«
    »Wir sind nicht hier, um uns von dir beleidigen zu lassen, Onkel«, sagte Miki und lief rot an.
    »Er war so enttäuscht, weil er mitbekommen hat, wie ihr ungeduldig darauf wartetet, dass er starb, um ihn zu beerben. Woher ich das weiß? Er selbst hat es mir erzählt. Ich kann euch sagen, wo, an welchem Tag und um welche Uhrzeit. Wort für Wort.«
    Und einige Minuten lang berichtete Rigoberto ihnen in aller Ruhe von dem Gespräch vor ein paar Monaten, im Verlauf jenes Mittagessens im La Rosa Náutica, als sein Chef und Freund ihm von seinem Entschluss erzählte, Armida zu heiraten, und ihn bat, sein Trauzeuge zu sein.
    »Er hat gehört, wie ihr in der Klinik San Felipe die schäbigsten Dinge gesagt habt, an seinem Bett, auf dem er im Sterben lag«, kam Rigoberto zum Schluss. »Aber damit habt ihr die Hochzeit von Ismael und Armida nur beschleunigt, so unsensibel und grausam wart ihr. Oder, besser gesagt, so dumm. Hättet ihr eure Gefühle wenigstens für euch behaltenund euren Vater in Ruhe sterben lassen, im Glauben, es würde seine Söhne schmerzen, und nicht seinen Tod gefeiert, wo er noch lebte und euch hörte. Ismael sagte, eben das, zu hören, wie ihr diese fürchterlichen Dinge sagtet, habe ihm die Kraft gegeben, weiterzuleben, zu kämpfen. Ihr hättet ihn ins Leben zurückgeholt, nicht die Ärzte. So, jetzt wisst ihr es. Das ist der Grund, warum euer Vater Armida geheiratet hat. Und auch, damit nicht ihr sein Vermögen erbt.«
    »Wir haben nie gesagt, was du sagst, das wir gesagt hätten«, sprudelte es aus Schlaks heraus, und es klang wie ein Zungenbrecher. »Das muss Papa geträumt haben, die hatten ihm ja starke Medikamente gegeben, damit er aus dem Koma aufwacht. Wenn es überhaupt stimmt und du die ganze Geschichte nicht erfunden hast, um uns das Leben noch mehr zur Hölle zu machen.«
    Er wollte noch etwas sagen, aber dann verbiss er es sich. Miki knabberte beharrlich weiter an seinen Fingernägeln. Seine Miene war bitter, er schien niedergeschlagen.

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