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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Einverständnis ergab. Vielleicht dachte sie, all das könnte Ismael dazu bewegen, sie vom Dienstmädchen zur Geliebten zu erheben. Ihr gar ein Häuschen einzurichten, ihr monatlich einen kleinen Unterhalt zu zahlen. Davon träumte sie, da bin ich sicher. Weiter nichts. Nie hätte sie sich den Aufruhr ausgemalt, in den sie den guten Ismael stürzen sollte, noch, dass die Umstände sie einmal zu einem Werkzeug der Rache des gekränkten und verbitterten Vaters machten. Aber was ist das?«, unterbrach Lucrecia ihre Erzählung, »wer ist dieser Eindringling? Was ist da los unter der Decke?«, und sie warf sich herum, streichelte ihn.
    »Weiter, mein Schatz, um alles in der Welt, sprich weiter«, flehte, erstickend, immer begehrlicher, Rigoberto. »Hör nicht auf, jetzt, wo alles so gut läuft.«
    »Das sehe ich«, Lucrecia lachte, befreite sich von ihrem Nachthemd, half ihrem Mann, den Pyjama abzustreifen, beide ineinander verflochten, das Bett zerwühlend, sich umarmend, küssend.
    »Ich muss wissen, wie es war, als sie das erste Mal miteinander schliefen«, sprach Rigoberto, seine Frau fest an sich gedrückt, seine Lippen auf den ihren.
    »Ich erzähle es dir, aber lass mir ein wenig Luft«, sagte Lucrecia ruhig, ließ sich Zeit, strich mit der Zunge über den Mund ihres Mannes und empfing die seine in dem ihren. »Es begann mit Tränen.«
    »Tränen? Wer?« Rigoberto löste sich verdutzt, richtete sich auf. »Weshalb? War sie noch Jungfrau? Meinst du das? Hat er sie entjungfert? Zum Weinen gebracht?«
    »Tränen, wie sie Ismael manchmal nachts überkamen, du Dummerchen«, mahnte ihn Lucrecia, kniff ihn in die Pobacken, knetete sie, strich mit den Händen weiter bis zu den Hoden, wiegte sie sanft. »Wenn er sich an Clotilde erinnerte, natürlich. Ein heftiger Jammer, mit Schluchzern, die durch die Tür drangen, die Wände.«
    »Schluchzern, die bis ins Zimmer von Armida drangen, ja, sicher«, Rigoberto kam in Schwung, drehte Lucrecia auf den Rücken und beugte sich über sie.
    »Die sie weckten, die sie aus dem Bett holten, die sie antrieben, herbeizulaufen und ihn zu trösten«, sagte sie und glitt unter den Körper ihres Mannes, öffnete die Beine, schlang die Arme um ihn.
    »Genau, ihr blieb keine Zeit, in den Morgenrock zu schlüpfen, noch in die Hausschuhe«, fiel Rigoberto ein. »Noch, sich auch nur zu kämmen. Und so rannte sie in Ismaels Zimmer, halb nackt. Ich sehe sie vor mir, mein Schatz.«
    »Du musst bedenken, alles war dunkel, sie stieß gegen die Möbel, an sein Bett geführt allein vom Jammer des Ärmsten. Als sie bei ihm war, umarmte sie ihn und …«
    »Und er umarmte sie, riss ihr das Hemdchen vom Leib. Sie tat, als wehrte sie sich, aber nicht lange. Kaum hatte die Rangelei begonnen, warf sie sich ihm in die Arme. Es muss eine Riesenüberraschung für sie gewesen sein, als sie feststellte, dass Ismael nun ein Einhorn war, das sich in sie bohrte, sie zum Schreien brachte …«
    »Sie zum Schreien brachte«, und Lucrecia schrie ihrerseits, flehte, »warte, warte, noch nicht, sei nicht so fies, tu mir das nicht an.«
    »Ich liebe dich, ich liebe dich«, brach es aus ihm hervor, und er küsste seine Frau auf den Hals, spürte, wie sie ganz steif wurde und Sekunden später stöhnte, sich entspannte und reglos dalag, keuchend.
    So blieben sie ein paar Minuten liegen, ruhig und schweigend, kamen wieder zu sich. Dann scherzten sie, standen auf, wuschen sich, strichen die Laken glatt, zogen sich Nachthemd und Pyjama über, knipsten das Lämpchen aus und versuchten zu schlafen. Doch Rigoberto blieb wach, hörte, wie Lucrecias Atem sich besänftigte und in immer größeren Abständen ging, während sie in den Schlaf sank. Ob sie träumte?
    Und in dem Moment kam ihm, wie aus heiterem Himmel, in den Sinn, was dieser gedanklichen Verbindung zugrundelag, die sein Gedächtnis seit einiger Zeit immer wieder geflochten hatte, genauer gesagt, seit Fonchito ihnen von seinen unmöglichen Begegnungen erzählte, dem unwahrscheinlichen Zusammentreffen mit diesem sonderbaren Edilberto Torres. Er musste sich unbedingt noch mal das Kapitel aus Thomas Manns Doktor Faustus anschauen. Den Roman hatte er vor vielen Jahren gelesen, aber er erinnerte sich sehr deutlich an jene Episode, gleichsam der Krater der Geschichte.
    Er stand leise auf und ging barfuß durchs Dunkel in sein Arbeitszimmer, sein Kulturinselchen. Er knipste die Lampe neben dem Sessel an, in dem er immer las und Musik hörte. Eine verschworene Stille lag in der

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