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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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er von anderen Dingen redet, ist der Junge ganz normal. Und in der Schule hatte er in diesem Monat so gute Noten wie sonst auch. Weder Lucrecia noch ich wissen, was wir davon halten sollen. Wird er verrückt? Ist es die seelische Krise eines Pubertierenden, etwas Vorübergehendes? Will er uns nur erschrecken und auf sich aufmerksam machen? Deshalb bin ich hergekommen, mein Guter, deshalb haben wir an dich gedacht. Ich wäre dir so dankbar, wenn du uns helfen könntest. Es war, wie gesagt, eine Idee von Lucrecia: ›Pater O’Donovan könnte die Lösung sein.‹ Sie ist gläubig, du weißt ja.«
    »Klar helfe ich, wäre ja noch schöner, Rigoberto«, versicherte sein Freund ihm erneut. »Solange er nur einverstanden ist. Das ist meine einzige Bedingung. Ich kann zu euch nach Hause kommen. Er kann hierher in die Pfarrei kommen. Oder ich treffe mich mit ihm irgendwo anders. Wann immer in dieser Woche. Mir ist bewusst, dass es für euch sehr wichtig ist. Ich verspreche dir, ich werde tun, was ich kann. Nur zwing ihn nicht, auf keinen Fall. Schlag es ihm vor, dann soll er entscheiden, ob er mit mir sprechen will oder nicht.«
    »Wenn du mir da raushilfst, bekehre ich mich am Ende noch, Pepín.«
    »Nie und nimmer«, Pater O’Donovan deutete das Vade retro an. »In der Kirche wollen wir keine so raffinierten Sünder wie dich, Öhrchen.«
    Sie wussten nicht, wie sie die Sache Fonchito beibringen sollten. Lucrecia übernahm es schließlich, mit ihm zu sprechen. Der Junge war am Anfang etwas verblüfft und machte sich lustig. »Wie das denn, Stiefmutter, war Papa nicht Agnostiker? War das seine Idee, dass ich mit dem Pfarrer spreche? Will er, dass ich beichte?« Sie erklärte ihm, Pater O’Donovan sei ein Mann mit großer Lebenserfahrung, ein Mensch voller Weisheit, ob Geistlicher oder nicht. »Und wenn er mich überredet, in ein Seminar zu gehen und Priester zu werden, was sagt ihr dann?«, scherzte der Junge weiter. »Also wirklich, Fonchito, sag das nicht zum Spaß. Du und Priester? Gott bewahre!«
    Der Junge war einverstanden, so wie er auch mit dem Besuch der Psychologin einverstanden gewesen war, und sagte, er würde lieber zur Pfarrei nach Bajo el Puente gehen. Rigoberto selbst brachte ihn im Auto hin und holte ihn ein paar Stunden später wieder ab.
    »Sehr sympathisch, dein Freund«, bemerkte Fonchito lediglich.
    »Das heißt, das Gespräch hat sich gelohnt?«, tastete Rigoberto sich vor.
    »Das war sehr gut, Papa. Eine großartige Idee von dir. Ich habe eine Menge gelernt. Pater O’Donovan scheint gar kein Pfarrer zu sein, er gibt einem keine Ratschläge, er hört einfach zu. Du hattest recht.«
    Aber er wollte keine weitere Erklärung geben, weder ihm noch seiner Stiefmutter, sosehr sie ihn auch baten. Er beschränkte sich auf Allgemeines, wie den Geruch nach Katzenpisse in der ganzen Kirche (»Hast du das nicht gemerkt, Papa?«), auch wenn ihm der Pfarrer versicherte, dass er noch nie eine Katze gehabt habe und manchmal eher Mäuse durch die Sakristei liefen.
    Rigoberto kam bald zu dem Schluss, dass in diesen paar Stunden, in denen Pepín und Fonchito miteinander sprachen, etwas Seltsames, vielleicht gar Schlimmes geschehen war. Warum sonst hatte Pater O’Donovan sich vier Tage lang vor ihm gedrückt, mit allen möglichen Ausreden, als fürchtete er, sich mit ihm zu treffen und von der Unterhaltung mit dem Jungen zu erzählen. Er hatte Termine, Verpflichtungen in der Gemeinde, ein Treffen mit dem Bischof, musste für eine Untersuchung zum Arzt. Irgendwelche albernen Sachen, um ihm aus dem Weg zu gehen.
    »Suchst du nach einem Vorwand, um mir nicht zu erzählen, wie dein Gespräch mit Fonchito war?«, fragte er ihn am fünften Tag geradeheraus, als der Priester sich endlich herabließ und selber ans Telefon ging.
    Am anderen Ende war es ein paar Sekunden still, und schließlich hörte Rigoberto, wie der Pfarrer etwas sagte, was ihn verblüffte:
    »Ja, Rigoberto. Tatsächlich, ja. Ich habe gekniffen. Was ich dir sagen muss, wirst du nicht erwartet haben«, sprach Pater O’Donovan geheimnisvoll. »Aber da uns nichts anderes übrig bleibt, sprechen wir eben davon. Ich komme am Samstag oderam Sonntag zum Mittagessen zu euch. Wann passt es euch besser?«
    »Am Samstag, Fonchito isst da immer bei seinem Freund Pezzuolo«, sagte Rigoberto. »Bis dahin hast du mich jetzt schon um den Schlaf gebracht, Pepín. Und mehr noch Lucrecia.«
    »So geht es mir, seit es dir in den Sinn kam, dass ich mit deinem lieben Sohn

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