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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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gegen uns. Ein erschwerender Umstand, Mabelita. Etwa nicht, Lituma?«
    Als der Hauptmann und der Sergeant zur Tür gingen, fragte sie:
    »Weiß Felícito von dem Vorschlag?«
    »Herr Yanaqué weiß nichts davon, erst recht nicht, dass der Erpresser mit der Spinne sein Sohn Miguel ist und du seine Komplizin«, antwortete der Hauptmann. »Wenn er es erfährt, wird er in Ohnmacht fallen. Aber so ist das Leben, wer wüsste das besser als du. Wer mit dem Feuer spielt, verbrennt sich die Finger. Denk über unseren Vorschlag nach, überschlaf es, und du wirst sehen, für dich ist es das Beste. Wir sprechen uns morgen, Mabelita.«
    Sie schloss die Tür hinter den Polizisten und musste sich an die Wand lehnen, so heftig schlug ihr das Herz. Es ist aus, alles aus, sagte sie sich, du hast es versaut, Mabel, und an der Wand entlang schleifte sie sich ins Wohnzimmer, mit zitternden Beinen, die Müdigkeit unerträglich, und ließ sich in den nächsten Sessel fallen. Kaum schloss sie die Augen, war sie schoneingeschlafen oder ohnmächtig. Den Albtraum, den sie hatte, kannte sie schon. Sie geriet in einen Treibsand und versank langsam in dem bräunlichen Brei, beide Beine steckten schon darin, umwickelt von schleimigen Fäden. Mit Mühe schaffte sie es hinaus, aber es war nicht die Rettung, im Gegenteil, denn zusammengekauert hockte dort eine haarige Bestie, ein Drache wie aus dem Film, mit spitzen Reißzähnen und stechenden Augen, die sie unablässig beobachteten.
    Als sie aufwachte, tat ihr der Nacken weh, der Kopf, der Rücken, sie war schweißgebadet. Sie ging in die Küche und trank in kleinen Schlucken ein Glas Wasser. Du solltest dich beruhigen, dachte sie, einen kühlen Kopf bewahren, in Ruhe über deine nächsten Schritte nachdenken. Dann legte sie sich aufs Bett, nur die Schuhe zog sie aus. Sie wollte nicht mehr denken. Am liebsten wäre sie in ein Auto gestiegen, einen Bus, ein Flugzeug, wäre so weit wie möglich von Piura fortgegangen, in eine Stadt, wo niemand sie kannte. Hätte bei null angefangen. Aber es war unmöglich, die Polizei folgte ihr überallhin, und die Flucht machte alles nur schlimmer. War nicht auch sie ein Opfer? So hatte es der Hauptmann gesagt, und es war die reine Wahrheit. War es vielleicht ihre Idee gewesen? Nichts da. Sie hatte mit diesem Blödmann von Miguel sogar gestritten, als sie erfuhr, was er vorhatte. Und erst zugestimmt, bei dieser albernen Entführung mitzumachen, als er ihr ein weiteres Mal damit drohte, dem alten Herrn von ihrer Liebschaft zu erzählen: »Der gibt dir wie einer Hündin einen Tritt, Cholita. Und wovon willst du dann so gut leben wie jetzt?«
    Er hatte sie gezwungen, es gab also gar keinen Grund, diesem Arschloch gegenüber loyal zu sein. Vielleicht blieb ihr tatsächlich nur, mit der Polizei und dem Staatsanwalt zusammenzuarbeiten. Leicht würde es für sie nicht werden, natürlich nicht. Es gäbe Rache, sie würde zur Zielscheibe, würde erschossen oder erstochen. Was wäre ihr lieber? Das oder Gefängnis?
    Den ganzen weiteren Tag blieb sie im Haus, von Zweifeln geplagt. Ihr Kopf war ein Bienennest. Klar war lediglich, dasses aus war mit ihr, aus und vorbei, und alles bloß, weil sie den Fehler begangen hatte, sich auf Miguel einzulassen und bei diesem albernen Quatsch mitzuspielen.
    Am Abend aß sie nichts, keinen Bissen, auch wenn sie sich ein Sandwich mit Schinken und Käse machte. Ins Bett ging sie mit dem Gedanken, dass am nächsten Tag die beiden Polizisten wiederkämen und sie fragten, was ihre Antwort sei. Die ganze Nacht grübelte sie, änderte immer wieder ihre Pläne. Manchmal überkam sie der Schlaf, aber kaum war sie eingenickt, schreckte sie wieder hoch. Als das erste Licht des neuen Tages in das Häuschen in Castilla fiel, spürte sie, wie sie ruhig wurde. Langsam sah sie klar. Und hatte eine Entscheidung getroffen.

XIV
    Jener Dienstag im winterlichen Lima, den Don Rigoberto und Doña Lucrecia als den schlimmsten in ihrem Leben ansehen sollten, brach paradoxerweise mit wolkenlosem Himmel und Aussicht auf Sonnenschein an. Nach zwei Wochen zähen Nebels, mit hoher Luftfeuchtigkeit und immer wieder Nieselregen, der zwar kaum nässte, aber bis in die Knochen drang, schien ein solches Erwachen Gutes zu verheißen.
    Er war für zehn Uhr vorgeladen, und Dr. Claudio Arnillas, wie stets mit knalligen Hosenträgern und Watschelgang, holte Rigoberto pünktlich um neun Uhr ab. Den erneuten Termin beim Untersuchungsrichter hielt er, wie auch schon die früheren,

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