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Ein Drama für Jack Taylor

Ein Drama für Jack Taylor

Titel: Ein Drama für Jack Taylor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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des Magdalenenstifts hierhergezogen.
    Ich sagte:
    »Ich möchte Mrs Taylor besuchen.«
    Sie trug ein schweres Tweedkostüm, derbsohlige schwarze Schuhe, für die eine Nonne einen Mord begangen hätte, das Haar stak in einer Art Moskitonetz. Ihr Blick war eisig und wohlüberlegt. Sie fragte:
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin ihr Sohn.«
    Sie machte keine abschätzige Äußerung, es fehlte aber nicht viel. Die Tür war nach wie vor nur halb geöffnet, und sie raspelte:
    »Sie waren noch nie hier?«
    Ich wollte die Tür aufstoßen, hineinstürmen. Man konnte ohne Weiteres davon ausgehen, dass diese Frau und ich nie Freunde werden würden, aber selbst eine gewisse angespannte bemühte Herzlichkeit schien unwahrscheinlich. Ich sagte:
    »Wenn ich schon mal hier gewesen wäre, würden wir dann dieses Gespräch führen? Allerdings, wer weiß? Vielleicht gehört dies Gelaber zum regulären Procedere.«
    Da, der Grenzverlauf war gezogen. Dies war eine Frau, der man nicht oft frech, oder, wie sie es ausgedrückt hätte, impertinent kam. Ich sah, wie kurz sie davorstand, die Tür zuzuknallen. Ich fragte:
    »Also, kann ich meine Mutter besuchen, oder brauche ich einen Durchsuchungsbefehl?«
    Sie bedachte meinen Stock mit einem höhnischen Blick, machte dann die Tür auf, einen Haufen Post zu ihren Füßen. Sah aus wie Rechnungen. Letzte Mahnungen, die Sorte. Ich hatte genug gesehen, um die Kuverts zu erkennen. Ich ging an ihr vorbei, und der Geruch schlug zu. Eine Mischung aus Ammoniak, alten Klamotten, Urin und Fichtennadel. Letztere ist die bevorzugte Luftveredlungschemikalie in Anstalten. In ganzen Lastwagenladungen verkauft und in Taiwan hergestellt, ist sie angemessen billig und widerwärtig. Wer sie einmal gerochen hat, wird sie nie mit etwas anderem verwechseln. Sie hat eine Süßlichkeit, die an allem haften bleibt. Sie ist schlimmer als jeder Geruch, den sie erfolglos zu überdecken versucht. Ich entsann mich meiner ersten Tanzvergnügungen, in der Showband-Ära. Woolworth hatte eine Filiale am Eyre Square, da, wo jetzt ein Supermac’s sitzt. Das Dauersonderangebot war eine Flasche Parfum zu Sixpence. Jedes Haus in der Stadt hatte Anspruch auf mindestens eine solche Flasche. Die Tanzhallen vibrierten von dem Aroma.
    Ich bemerkte eine große Blumenvase und streckte die Hand aus.
    Plastik.
    Von allen Entsetzlichkeiten des Kommerzes gehören solche Vasen zu den schlimmsten. Nur vergleichbar mit den drei fliegenden Enten, die die Wände von Tausenden Haushalten schmückten. Ich wandte mich der Dragonerin zu, fragte:
    »Und Sie sind?«
    »Mrs Canty. Ich bin die Heimleiterin.«
    Ich nickte, als wäre mir das nicht schnurzpiepe. Sie sagte:
    »Ihre Mutter ist auf Zimmer sieben.«
    Sie schien noch etwas sagen zu wollen, verkniff es sich aber, sagte:
    »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, das Heim leitet sich nicht von alleine.«
    Sie stampfte davon, Feindseligkeit im Kielwasser. Ich fand Zimmer sieben, die Tür offen, holte tief Luft und ging hinein. Ich stützte mich auf meinen Stock und machte nicht gerade Reklame für die Welt da draußen. Das Zimmer war duster, weil die Glühbirne die geringstmögliche Wattzahl hatte. Derartige Bedingungen waren mir das letzte Mal in meiner Wohnschlafzimmerbruchbude in London begegnet. »Madame George« ist nun mal das Lied meines Lebens.
    Es gab drei Pritschen – Betten konnte man sie nicht nennen – mit Metallgittern an der Seite, damit die Insassen drin- oder unterstützende Handreichungen draußen blieben, schwer zu sagen. Ich näherte mich der ersten Pritsche, eine unzählige Jahre alte Frau, auf dem Rücken, der Mund offen, Spucke rann seitlich heraus. Die zweite beinhaltete meine Mutter. Sie war auf Kissen aufgebockt, die Augen offen. Seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte, war es mit ihr heftig bergab gegangen. Ihr einst schimmerndes schwarzes Haar war weiß und strähnig. Ihr Blick erfasste mich, und sie flüsterte:
    »Jack?«
    Ein Stich durchbohrte mein Herz, ich wollte flennen. Schuld, Wut und Reue rasten mir durch den Magen. Ich spürte Galle in der Kehle und den Geschmack echter Kotze am Zahnfleisch. Ich sagte:
    »Wie geht es dir?«
    Nicht mein stärkster Moment. Sie hob die Hand, der Arm so dünn wie Papier, fragte:
    »Bringst du mich nach Hause?«
    Nach Hause. Wir hatten kein Zuhause, hatten wir nie gehabt. Wir hatten in einem Haus voll siedender Feindseligkeit gelebt, ausschließlich ihr Werk. Ich sagte:
    »Klar bring ich dich nach Hause.«
    Ihre Augen waren wild und

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