Ein Drama für Jack Taylor
bewegten sich wie besessen. Sie sagte:
»Komm näher ran, Jack, sonst hören sie uns. Dann sagen sie wieder, ich bin kein braves Mädchen.«
Ich blieb zwanzig Minuten, kamen mir vor wie zwanzig Jahre. Ich wiederholte immer wieder, dass ich sie retten würde. Im Kopf schien sie nur noch, wie die Iren sagen, seafóid zu haben, Unsinn oder, wie der moderne Fachausdruck heißt, Pappröllchen. Als ich ging, sagte sie:
»Bete zu Ihr, dass Sie mich rettet.«
Die Heimleiterin schloss die Tür auf. Ich sagte:
»Da drüben hat mir ein alter Mann gesagt, das hier wäre a) eine Pennbude und b) ein Loch. Das war ernsthaft untertrieben.«
Sie knallte die Tür hinter mir zu.
Sin scéal eile.
(Das ist eine andere Geschichte)
I m Baileys’s dachte ich dann über Jeffs Freund nach und entschied, dass ich in der Sache nicht übermäßig viel unternehmen konnte. Ganz vernünftig sagte ich mir, wenn er unschuldig war, konnte ihm nichts passieren. Keine Minute lang kaufte ich mir diesen Scheiß ab, nahm aber an, dass mein Eingreifen nichts ändern würde, und unternahm nichts. Für meine Mutter war die einzige Lösung ein anderes Pflegeheim. Ich wusste, dass ein anständiges teuer war und ich mir das nicht leisten konnte, unternahm abermals nichts.
Das Telefon klingelte, und ich stürzte mich auf die Ablenkung. Es war die Polizistin. Sie eröffnete:
»Ich habe das Buch.«
»Toll. Können Sie es hier abgeben?«
Keine Antwort, und ich musste sagen:
»Wellewulst, sind Sie noch dran?«
Als sie antwortete, war ihr Unwille nicht zu überhören.
»Bin ich vielleicht Ihr Botenjunge?«
»Nein … Ich …«
»Sie bestimmen immer Zeit, Umstände und Ort unserer Treffen.«
Wirklich?
Ich fragte:
»Wirklich?«
Sie machte sich nicht die Mühe zu antworten, sagte:
»Ich habe Geburtstag. Margaret lädt mich im Connemara Coast Hotel zum Abendessen ein. Danach sitzen wir zum Kaffee in der Lounge … Sagen wir 21 Uhr?«
»Aber das ist …«
»In Connemara, ja. Sie werden sich erinnern, dass ich da herkomme.«
»Das ist meilenweit weg. Wie soll ich da hinkommen?«
Ich schwöre, sie hat gelacht. Genüsslich schlug sie vor:
»Nehmen Sie einen Bus. Wenn die den Stock sehen, kriegen Sie wahrscheinlich Schwerbehinderten-Nachlass.«
Klick.
Diese Runde hatte ich kalt verloren. Es hatte eine Zeit gegeben, da Wellewulst respektvoll, fast unterwürfig gewesen war. Ich hatte sie definitiv eingeschüchtert. Wie bei allen Frauen, die ich kannte, hatte die Zeit sich der wackeligen Macht angenommen, die ich über die Damen ausgeübt haben mochte. Ich rief Bus Éireann an, und nach dreißig Minuten betäubender Frustration bekam ich den Fahrplan. Ich hatte mir das komplette Gewäsch von »für Auskünfte drücken Sie die 1, für Buchungen drücken Sie die 2, für Pauschalreisen drücken Sie die 3« angehört. Für Höflichkeit schien es keinen Knopf zu geben.
Mir war ein Lied im Kopf herumgegangen, das ich nicht identifizieren konnte. Stellte das Radio an, und – einer dieser unheimlichen Zufälle – da war es schon. Von Pink, mit dem Titel »Like a Pill«. Alt fühlte ich mich bei dem Lied. Es brachte mir nichts, dem »Gegengift« zu Britney zu lauschen. Manchmal kann man auch zu viel Information kriegen. Die Nachrichten kamen, und die Polizei sagte, ein Mann hätte ihr bei den Ermittlungen wegen der Attacke auf das junge Mädchen geholfen. Er sei ohne Anklageerhebung auf freien Fuß gesetzt worden. Ich rief Jeff an, und er bestätigte, dass es Pat war, und, ja, er war entlassen worden. Ich sagte:
»Braucht man sich also keine Sorgen mehr zu machen.«
Er antwortete nicht, und ich fragte:
»Jeff?«
Er klang angespannt, sagte:
»Wegen der Polizei mache ich mir auch keine Sorgen.«
Und legte auf. Ich überlegte, ob ich ihn noch mal anrufen sollte, ließ es aber. Das war ein Punkt, den ich von meiner Liste streichen konnte. Die Post kam, aufs Zimmer zugestellt von Janet, die sagte:
»Ist es nicht ein Wunder?«
»Die Post?«
»Och, nehmen Sie mich doch nicht auf den Arm. Ich meine wegen Ihres Trinkens.«
»Ach so.«
Sie schenkte mir ein warmes Lächeln, verströmte Zuneigung, fragte:
»Sprechen Sie Ihre Gebete, Mr Taylor?«
»Ömm, ja, natürlich, sogar auf Irisch.«
Das war keine komplette Lüge. Als ich sie gesprochen hatte, vor langer Zeit, hatte ich sie auf Irisch gesprochen
Sie überreichte mir ein Merkblatt, sagte:
»Die Totenliste für November.«
Einen surrealen Augenblick lang dachte ich, sie sagt mir, wer alles im
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