Ein Drama für Jack Taylor
»unsere Linie«, und mein Leben war so normal wie nur möglich. Mein Knie war besser geworden, aber ein leichtes Hinken würde mir wie erwartet bleiben.
Ich war bei Charlie Byrne’s, suchte Bücher über Synge, schnappte mir Vinny, fragte ihn, ob er helfen könne. So ungern er eine Niederlage zugibt, so sehr musste er einräumen, dass Synge nicht zu seinen Spezialgebieten gehörte, fügte aber hinzu:
»Hier ist der Mann, den du suchst.«
Ich drehte mich um und sah einen vornehmen Herrn, gleich bei der Literaturkritik. Vinny sagte:
»Mein alter Englischprofessor und ein tatsächlich veröffentlichter Autor.«
Schnell setzte er hinzu:
»Nicht, dass er alt ist, aber das College ist ein Weilchen her. Er ist der Synge-Experte.«
Der Mann lächelte höflich; er hatte eine akademische Aura. Es entstand jener unbehagliche Moment, wenn Fremde einander vorgestellt worden sind und nichts zu sagen wissen. Ich brummelte:
»Ich suche was, um mich ein bisschen über Synge fortzubilden.«
Er lächelte dies tolerante Lächeln, ein Lächeln, das sagt, wir wissen beide, dass Sie ein Idiot sind. Er sagte:
»Lesen Sie seinen Bericht von seiner Zeit auf den Aran-Inseln.«
Ich sagte, das würde ich tun, und dann, nach einer weiteren Minute der Besorgnis, verabschiedete er sich und haute ab.
Vinny versorgte mich mit Folgendem:
Synge. Versuch einer Interpretation. Essays der Synge-Sommerschule, 1991–2000, herausgegeben von Nicholas Grene;
Ein Lesebuch von den Aran-Inseln, herausgegeben von Breandán und Ruairi Ó hEithir;
Eine Totenklage von den Aran-Inseln von Andrew McNeillie;
Szenen einer Pilgerreise zu den Aran-Inseln von Tim Robinson.
Als er sie verpackte, sagte ich:
»Wird etwas dauern, da durchzuwaten.«
»Aber dann kennst du den Mann auch.«
»Bist du sicher?«
»Todsicher.«
E in paar Tage später, als ich ins Hotel kam, sagte Mrs Bailey:
»Mr Taylor, ein Brief für Sie.«
Nie brachte sie es, trotz meiner Bitten, über sich, mich Jack zu nennen. Ich nahm den Brief, einen einfachen weißen Umschlag. Vorn draufgetippt stand:
Jack Taylor
Bailey’s Hotel
Galway
Ich schob ihn in die Tasche und ging die Treppe zu meinem Zimmer hinauf. Ein Kranz lag gegen meine Tür gelehnt. Ja, die Sorte, die man auf Särgen sieht. Ich hob ihn auf, ein Frösteln entlang der Wirbelsäule. Gott, brauchte ich eine Zigarette. Griff hinunter, um sie aus der Hosentasche zu ziehen, und mir fiel ein: keine Lullen. Öffnete meine Tür, trat ein, stand einen Moment lang dumm herum, ging dann zum Fenster, riss es auf und schmiss den Kranz auf den Hof. Im Kopf arbeitete ich rasend schnell alle möglichen Antworten durch. Ein Streich? Ein Irrtum? Aber nichts konnte mich beruhigen. Ich setzte mich aufs Bett und sehnte mich nach den Zeiten, da ich nach der Flasche Jameson hätte greifen, sie ansetzen, üppig aus ihr trinken können.
Nahm den Umschlag aus der Tasche, sah das Zittern meiner Hand, riss dann die Umschlagklappe auf und zog einen Messzettel heraus. Vorn das Allerheiligste Herz Jesu Christi, innen die Worte:
»Eine Messe wird gelesen werden für die ew. Ruhe der Seele von Jack Taylor.«
Dann:
»In tiefstem Mitgefühl«
und in fetten schwarzen Großbuchstaben:
J. M. SYNGE
Mir stockte der Atem, und ich dachte, ich muss mich übergeben. Die Übelkeit ging vorüber, und ich besah den Umschlag. Er war am Vorabend in Galway abgestempelt worden. Den Kranz hatte der Spender persönlich vorbeigebracht, aber in einem Hotel gehen den ganzen Tag Menschen ein und aus.
Ich rief Wellewulst an, erzählte ihr alles. Sie verdaute es schweigend, dann:
»Jemand spielt mit Ihnen.«
»Ach ja? Toll! Wie schön, dass ich das jetzt weiß. Ich kann mich glücklich schätzen, Sie angerufen zu haben.«
»Nicht in diesem Ton, Jack Taylor.«
Ich ruderte zurück, versuchte es mit:
»Na, immerhin werden Sie jetzt ebenfalls der Meinung sein, dass der Kerl da draußen ist, dass wir es hier nicht mit einem, wie haben Sie es genannt …, bizarren Zufall zu tun haben.«
Sie seufzte, fragte:
»Ja und? Was ändert sich dadurch? Ich meine, was können Sie tun?«
»Tun? Ich kann mich scheißenochmal vorsehen.«
Und knallte den Hörer auf.
E ine Linie Koks, eine Stange Zigaretten, eine Flasche Jameson, neunzehn pints Guinness, alles schick herausgeputzt, schimmerten vor meinen Augen. Ich verließ das Zimmer und fragte Mrs Bailey, ob ihr irgendwas aufgefallen sei, ob jemand Ungewöhnliches durch den Empfang gekommen war.
»Ungewöhnlich? Sie belieben
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