Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Drama in Livland

Ein Drama in Livland

Titel: Ein Drama in Livland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Johausen nach Reval ginge.
    – Schien er es nicht sehr eilig zu haben mit der Rückkehr nach Riga, wo er sich verheiraten wollte?
    – Jawohl, Herr Richter, soweit ich mich seiner Worte erinnere, denn ich hörte nur mit halbem Ohre auf das Gespräch der Beiden, das mich ja nicht interessierte.
    – Nicht interessierte? fiel da der Major Verder ein.
    – Gewiß nicht, antwortete Nicolef mit einem verwunderten Blicke auf den Major. Warum sollte ich Interesse für das gehabt haben, was der Mann schwätzte?
    – Das ist gerade, was durch die mir obliegende Untersuchung aufgeklärt werden soll«, erwiderte Kerstorf.
    Auf diese Antwort machte der Privatlehrer eine Bewegung wie einer, der nicht begriffen hat, was man zu ihm sagte.
     

    »Was kann er von dir wollen?« (S. 142.)
     
    »Hatte dieser Poch, fuhr der Beamte fort, nicht eine Mappe bei sich, eine von der Art, wie sie Bankdiener gewöhnlich zum Befördern von Geldern tragen?
    – Das ist möglich, Herr Richter, bemerkt hab ich es aber nicht.
    – Sie können also nicht sagen, ob er eine solche, vielleicht aus Unvorsichtigkeit, hat auf der Sitzbank liegen oder anderen Personen sehen lassen, die an den Pferdewechselstellen an den Wagen herankamen?
    – Ich saß in meinen Mantel gehüllt immer in der Ecke, habe wohl auch öfters unter der Kapuze längere Zeit geschlafen und deshalb eigentlich kaum gesehen, was mein Reisegefährte tat oder nicht tat.
    – Der Schaffner Broks spricht sich, was das Vorhandensein einer solchen Tasche betrifft, mit aller Bestimmtheit aus, daß Poch eine Mappe bei sich führte.
    – Ja, Herr Richter, wenn der Mann das behauptet, wird es ja richtig sein. Ich freilich kann seine Aussage weder bestätigen noch widerlegen.
    – Sie haben mit Poch gar nicht gesprochen?
    – Wenigstens während der Fahrt nicht. Die ersten Worte haben wir miteinander gewechselt, als wir nach dem Unfalle mit dem Postwagen eine Unterkunft aufsuchten.
    – Und den ganzen Tag über haben Sie, die Kapuze sorgsam über den Kopf gezogen, in Ihrer Ecke gesessen?
    – Sorgsam, Herr Richter?… Warum sorgsam? fragte Nicolef, der bei dem Worte gestutzt hatte.
    – Weil es Ihnen, wie es scheint, sehr darauf ankam, unerkannt zu bleiben.«
    Der Major Verder war es, der, das Verhör aufs neue unterbrechend, diese Bemerkung, die offenbar einer Beschuldigung gleichkam, eingeschaltet hatte.
    Jetzt reagierte Nicolef darauf nicht so lebhaft, wie auf das von dem Richter ausgesprochene Wort. Einen Augenblick schwieg er, dann sagte er ruhig:
    »Zugegeben, daß mir daran gelegen gewesen wäre, unerkannt zu reisen, so glaube ich doch, daß dazu in Livland wie anderwärts jeder freie Mann das Recht hat!
    – Eine weise Vorsicht, versetzte der Major, um nicht von Zeugen wieder erkannt zu werden, denen man gegenübergestellt werden könnte.«
    Das war wieder eine schwerwiegende Anspielung, deren Ernst der Privatlehrer nicht verkennen konnte und vor der er sichtlich erblaßte.
    »Kurz, fuhr der Richter fort, Sie leugnen doch nicht, an jenem Tage den Bankbediensteten Poch zum Reisegefährten gehabt zu haben?…
    – Nein, wenigstens wenn das Poch war, der mit mir in der Post saß.
    – Darüber besteht kein Zweifel,« ließ der Major Verder sich vernehmen.
    Kerstorf setzte die Befragung fort.
    »Die Fahrt verlief von einem Pferdewechsel zum anderen ohne jeden Zwischenfall. Zu Mittag wurde eine Stunde Aufenthalt genommen, um etwas zu essen. Sie haben sich da, in einer dunkleren Ecke der Gaststube, von den anderen gesondert auftragen lassen, immer dem Anscheine nach in der Absicht, unerkannt zu bleiben. Dann ist die Post weiter gefahren. Das Wetter war sehr schlecht. Die Pferde konnten gegen den Sturm kaum aufkommen. Später, etwa halb sieben Uhr abends, ist ein Unfall eingetreten. Eines der Pferde war gestürzt, der Wagen, dessen Vorderachse gebrochen war, kam zum Umfallen…
    – Darf ich erfahren, Herr Richter, sagte da Nicolef, warum Sie und in welchem Interesse Sie diese Einzelheiten hier anführen?
    – Im Interesse der Justiz, Herr Nicolef. Als der Schaffner Broks sich überzeugt hatte, daß mit dem Wagen nicht mehr bis zur nächsten Pferdewechselstelle, der in Pernau, zu kommen war, ist der Vorschlag aufgetaucht, in einer Schenke zu übernachten, die an der Landstraße gegen zweihundert Schritt weit von der Unfallsstelle lag, und Sie sind es gewesen, der auf diese Schenke aufmerksam gemacht hat.
    – Die ich bisher aber nicht kannte, Herr Richter, und an jenem Abend zum ersten Male

Weitere Kostenlose Bücher