Ein dunkler Gesang

sich inzwischen alles verändert. Damals hieß es entweder – oder. Aber heute kann man das Stadtleben genießen und am nächsten Tag zurückkommen. Außerdem härtet einen das Landleben ab. Wir kommen mit den Städtern besser klar als die Städter mit uns.»
    «Allerdings habe ich gehört, dass Louis …»
    «Was haben Sie gehört?», fragte Devereaux scharf.
    «Dass er eine Art Zusammenbruch hatte. Nachdem die Jagd verboten wurde.»
    «Und wer hat Ihnen das erzählt?»
    «Das weiß ich gerade nicht mehr.»
    «Sie haben ein ziemlich selektives Gedächtnis, Mrs. Watkins.» Preston Devereaux entspannte sich wieder. «Ja, er hat seine Jagd geliebt. Wir haben hier eine richtige Kampagne gegen das Verbot organisiert, mit Plakaten und so weiter. Bei einer Demo ist der Junge ausgerastet und hat einen Polizisten verprügelt. Anschließend saß er übers Wochenende im Gefängnis. So läuft das heutzutage in unserem Land: Wer für seine Traditionen kämpft, wird als Krimineller gebrandmarkt. Diese Regierung ist unfähig. Anti-Englisch. Ich will gar nicht damit anfangen. Wir haben die Auseinandersetzung um die Jagd jedenfalls verloren. Aber man muss
weitermachen
. Wie war Ihre Frage noch mal? Ich habe es vergessen.»
    «Eichen», sagte sie. «Tim Loste hat sehr viele Eichenbäume. Was in einem so winzigen Garten …»
    «Tatsächlich? Hat er da Eichen?»
    «Elgar und Eichen. Gibt es da eine Verbindung, von der ich möglicherweise noch nichts gehört habe?»
    «Keine Ahnung. Die einzige Eiche, die ich kenne, ist der Pub, der
Royal Oak
. Und das ist ein ziemlich verbreiteter Name für ein Lokal. Soll wohl an den Baum erinnern, auf dem sich Charles  II . vor seinen Gegnern versteckt hat.»
    «Gibt es hier in der Gegend Legenden, die etwas mit Eichen zu tun haben?»
    «Nicht dass ich wüsste.»
    «Und gibt es irgendein Geheimnis … eine Legende oder ein Gerücht, das Elgar mit Wychehill in Verbindung bringt?»
    «Nur die Kirche. Longworth hatte angeblich eine Vision.»
    «Von was?»
    «Von dem, was auf seinem Grab steht.»
    «Der Engel?»
    «Ein verdammt schauriges Ding, oder? Ich stelle mir einen Engel jedenfalls anders vor. In meiner Kindheit wurde erzählt, er wäre dem verrückten alten Knaben auf dem Hügel erschienen und hätte Longworth in blinde Religionsfurcht getrieben.»
    «Und zu Elgar.»
    «Das ist dasselbe. Elgar ist doch mittlerweile selbst schon eine Religion. Ich bin kein Fan von ihm, wie Sie sich bestimmt schon gedacht haben. Wenn er Longworth nicht zu diesem verdammten Kirchenbau ermutigt hätte, dann gäbe es kein Upper Wychehill, das die Städter kolonisieren können. Und überhaupt: Was hat Elgar jemals für die Malverns getan?»
    «Den Tourismus angekurbelt?»
    Devereaux schnaubte höhnisch.
    «Den hatten wir immer schon. Wir haben nämlich die richtige Landschaft, dafür brauchen wir keine verdammte Begleitmusik. Der Kerl hat immer behauptet, er hätte hier seine Inspiration gefunden, aber als er berühmt wurde, war er im Handumdrehen verschwunden. Und als er zurückkam, war er ein alter Mann, und er war zu einem
Zugezogenen
geworden. Das ist es, was mich so aufregt.»
    «Das verstehe ich nicht. Wenn er …»
    «Er hatte sich komplett
verändert
. Er ist als Landkind aufgewachsen, das stimmt, ist angeblich sogar mit auf die Fuchsjagd gegangen. Aber dann, sobald er groß rausgekommen war, ist er weg … Riesenhaus in Hereford und danach in London, wo er sich mit der Hautevolee und den Kunstfuzzies rumgetrieben hat, George Bernard Shaw und Konsorten. Und als er schließlich wiederkam, in seiner Rolle als distinguierter älterer Herr, war er
einer von ihnen
geworden – hat am Tisch sogar Gedecke für seine verdammten Hunde auflegen lassen. Anscheinend hat er geglaubt, die Hügel würden ihm seine Inspiration wiedergeben, aber das ist wohl nie passiert. Die Natur hat ihm nicht mehr geantwortet. Er hatte seine Seele verkauft, um sich unter die Schönen und Reichen mischen zu können. Hat nie mehr irgendetwas Bedeutendes geschrieben. Kein Wunder, dass er ein unglücklicher Geist ist. Glauben Sie das?»
    «Dass er unglücklich ist oder dass er …»
    Devereaux sah Merrily mit schräggelegtem Kopf an.
    «Dass der tote Elgar in den Hügeln herumradelt.»
    «Da bin ich nicht sicher.»
    «Ha!»
    «Entschuldigen Sie. Ich bin normalerweise nicht so … doch, eigentlich bin ich immer so. Aber ich glaube, dass etwas vor sich geht … in der Atmosphäre. Ich weiß nur nicht genau, ob es etwas mit Elgar zu tun