Ein dunkler Gesang
Hass nun zu einem Mord getrieben haben sollte, dann … ich weiß nicht, wie relevant mein Vorschlag einer Seelenmesse für die beiden Unfallopfer dann … ist.»
«Und was kann ich dabei tun?»
«Sie … Sie sind der einzige Mensch, der hier schon länger als zwanzig Jahre lebt. Ich würde gern Ihre Meinung zu ein paar Dingen hören, Sie auf die Straße der Erinnerung schicken, fürchte ich.»
«Die Straße der Erinnerung. Mit all ihren Schlaglöchern und Unfallopfern.»
Preston Devereaux schaute nachdenklich aus dem Beacon-Fenster.
«Das muss der spektakulärste Anblick in den gesamten Malverns sein», sagte Merrily.
«Ich habe ihn gehasst. Eine vergessene Festung, ein Symbol für eine Niederlage. Ich hatte allem, wofür die Malverns stehen, den Rücken gekehrt, all der steifen Vornehmheit. Und dann ist mein Vater gestorben.»
«Wann war das?»
«Ende 1985 . Wenn die Familie seit der normannischen Eroberung auf demselben Bauerngut sitzt, ist das ein Fluch, den man niemals loswerden kann. Und phasenweise verstärkte sich der Fluch, wie in den Achtzigern, als neue Regeln und Vorschriften für die Agrarförderung eingeführt wurden und die europäischen Normen kamen. Ein Bauer konnte sich kaum noch als Herr über sein eigenes Land fühlen. Mein Vater wusste, dass das erst der Anfang war. Das erklärt zum Teil, warum er sich im Turm aufgehängt hat.»
«Oh …» Merrily sah automatisch zur Decke hinauf. «Das wusste ich nicht. Das tut mir leid.»
«Und damit war meine strahlende Zukunft als Wissenschaftler gestorben. Damals habe ich in der Forschung gearbeitet und ein bisschen Lehre gemacht. Es war eine gute Zeit. Ich hatte eine modebewusste kluge Frau und ein Kind, und als ich zur Beerdigung meines Vaters herkam, habe ich mir immer wieder gesagt:
Sieh nicht hin! Sieh nicht hin!
Sieh dir nicht den Zustand des Hofes an, verkauf ihn einfach bloß. Und dann habe ich, wie gesagt, herausgefunden, dass es in Wychehill keine einzige alteingesessene Familie mehr gab. Und so hat der Fluch zugeschlagen.»
«Lebte Ihre Mutter damals noch?»
«Sie ist nach Ledbury gezogen, sie wollte nach dem Selbstmord nicht mehr hier wohnen. Ich habe ihr gesagt, dass ich meine Karriere ein paar Jahre aufschiebe, um den Besitz zusammenzuhalten. Dann haben wir Hugo bekommen. Noch mehr Wurzeln.»
«Und was … wurde aus der Mutter Ihrer Jungs?»
«Ist schon lange weg. Sie ist Londonerin, hat ihren eigenen Kopf und kam auf dem Land nicht zurecht. Wir waren nicht verheiratet, also gab es in dieser Hinsicht keine Probleme. Ich habe die Jungs behalten. Und wir haben den Hof umgekrempelt, und wie,
trotz
all der idiotischen Verwaltungsvorschriften und des Gesindels aus Brüssel.
Diversifikation
, die haben doch keine Ahnung.»
«Ja, das war damals das große Schlagwort.»
«Man muss einräumen, dass es für ein paar Bauern tatsächlich der Weg aus der Existenzkrise war. Es war schrecklich, die Landwirtschaft aufzugeben, aber es hat funktioniert. In meinem Fall mit Luxusferienwohnungen für Selbstversorger. Nicht, dass sich von denen jemand selbst versorgt, die essen alle im Restaurant. Aber für mich läuft es gut, und es schafft ein paar Arbeitsplätze. Ich habe natürlich alles ganz besonders pittoresk und altmodisch eingerichtet, und die Leute kommen jedes Jahr wieder, all die trübseligen Großstädter. Wir erhöhen jede Saison die Preise, aber die kommen trotzdem wieder.»
Preston Devereaux ließ sich in einen Sessel neben dem kalten Kamin fallen. Er winkte Merrily zu einer verschossenen Chaise-longue.
«Wir haben die antiken Möbel aus dem Haupthaus in die Ferienwohnungen gestellt. Wozu brauchen wir Antiquitäten, die Jungs und ich? Wenn man einen Queen-Anne-Sekretär in so ein Ferienhäuschen stellt, kann man pro Woche gleich zweihundert mehr nehmen. Haben Sie die Gebäude gesehen?»
«Sehr stilvoll.»
«Ich habe sämtliche alten Scheunen, Ställe und Hühnerhäuser in Ferienunterkünfte umgewandelt und ein paar neue im alten Stil dazugebaut. Ja, und was vom eigentlichen Leben auf einem Bauernhof hier überhaupt noch übrig ist, finden die Städter auch ganz toll. Verschafft ihnen eine Illusion vom Landleben, genau wie das, was uns hier als Vergnügen noch erlaubt ist – zum Beispiel die Hetzjagd, bevor sie verboten wurde. Die Leute denken, sie würden für zwei Wochen am Leben des alten Landadels teilnehmen.»
«Und da machen Ihre Söhne mit? Wollen sie nicht weg, wie Sie damals?»
«Nein, sie wollen nicht weg. Es hat
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