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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Er kennt diese Hügel wie seine Westentasche, jeden Fels, jede Höhle, jede Schlucht.»
    «Ja, aber das heißt noch …»
    «Im
Royal Oak
haben sie drei erfahrene Türsteher gebraucht, um ihn zu überwältigen … er ist übrigens auch einen halben Kopf größer als Wicklow. Und er ist der reinste Schrank, Mrs. Watkins. Ach ja, und der Stein, den er durchs Fenster geworfen hat, entsprach grob geschätzt den Ausmaßen eines tragbaren Fernsehers und war ungefähr doppelt so schwer.»
    «Oh.»
    «Und jetzt sagen Sie mir noch mal, dass wir es mit einem harmlosen, sanften kleinen Träumer zu tun haben, dem jede Gewalt zuwider ist.»
    Ein Bussard schwebte lautlos über ihnen am Himmel. Dann tauchte ein Polizist hinter dem Haus auf.
    «Die versuchen, Sie zu erreichen, Ma’am.»
    Howe hob den Kopf. «Danke, Robert. Ich komme.»
    Während Howe anfing zu telefonieren, stieg in Merrily das Gefühl vollkommener Nutzlosigkeit auf. Ihre Rolle war unklar, ihre Ziele nebulös. Sicher war nur, dass außer ihr niemand ernsthaft versuchen würde, aus Loste und seiner Elgar-Besessenheit oder seinem Eichen-Fetischismus schlau zu werden.
    Eichen. Heilige Eichen. Der
Royal Oak Pub
. Zu viele Eichen. Hatte das etwas mit der Geschichte oder den alten Volksbräuchen dieser Gegend zu tun? Sie wusste nicht, wen sie fragen sollte. Von den Einwohnern Wychehills lebte hier anscheinend keiner schon länger als fünfundzwanzig Jahre.
    Na ja … außer einer Person.
    Das war niemand, den sie gerne ansprach, aber …
    Merrily ging zu ihrem Auto. Sie wusste, dass Annie Howe, nachdem nichts Nützliches aus Merrily herauszubringen gewesen war, ihre Anwesenheit inzwischen vollkommen vergessen hatte.

28 So hat der Fluch zugeschlagen
    Der Name
Old Wychehill Farm
am Tor legte nahe, dass hier früher der alte Weiler gelegen hatte, von dem das Dorf Wychehill seinen Namen hatte.
    Eigentlich war Old Wychehill Farm groß genug, um alleine einen Weiler zu bilden. Das Gut lag, halb umschlossen von hohen Laubbäumen, in einem eigenen Tal. Das Haus am Ende der langen Privatzufahrt entpuppte sich als das mit einem Turm versehene Gebäude, das Merrily an ihrem ersten Morgen in Wychehill aufgefallen war.
    Sie parkte auf dem herrschaftlich wirkenden Innenhof. Es waren keine Tiere in Sicht, keine freilaufenden Hühner. Um das dreistöckige Haus lagen weitere Gebäude aus graubraunem Sandstein. Das waren wohl die Ferienwohnungen.
    Ein schwarzer Pick-up fuhr hinter ihr auf den Hof. An den Seiten hatte er Chromelemente und silberfarbene Flammenverzierungen. Zwei Männer stiegen aus und blinzelten in die Sonne. Einer von ihnen kam auf Merrily zu.
    «Kann ich Ihnen helfen?»
    «Ich suche Mr. Devereaux.»
    «Welchen?»
    «Preston Devereaux.»
    Der Mann sah sie von oben bis unten an und strich sich über sein unrasiertes Kinn.
    «Zu schade.»
    Abgesehen von helleren Haarsträhnen und einer deutlicheren Kinnlinie sah er Preston Devereaux überaus ähnlich. Die gleiche schlanke Erscheinung, der gleiche lässige Schritt. Nur war dieser Mann über dreißig Jahre jünger. Der andere war der jüngere Bruder, Hugo.
    «Louis, das ist Mrs. Watkins», sagte Hugo.
    «Merrily.» Auf Louis Devereaux’ Gesicht – ehemaliger Jäger, mutmaßlich ehemaliger Drogenkonsument – breitete sich ein gieriges und unbestreitbar attraktives Grinsen aus. «Und wir kriegen so jemanden wie Spicer zugeteilt. Das ist total ungerecht.» Louis wandte sich an seinen Bruder. «Geh lieber los und such unsern Alten. Musst dich aber nicht beeilen. Kommen Sie schon mal mit mir mit, Merrily?»
    «Ist das denn sicher?»
    «Ich bin ein Landedelmann», sagte Louis, «und entstamme einer Sippe, die schon eine lange, lange Reihe von Landedelleuten hervorgebracht hat. Natürlich ist es nicht sicher.»
    Er ging ihr voraus über den Hof und drehte den Knauf einer einfachen Tür. Sie öffnete sich nicht. Sie war verzogen. Also trat er dagegen.
    «Hier klemmt wirklich alles.»
    Seine Aussprache war gepflegter als die seines Vaters. Vermutlich hatte er ein Internat besucht. Merrily sah ihn an, als er ihr die Tür aufhielt.
    «Ich werde ihn nicht lange aufhalten.»
    «Er wird aber vielleicht
Sie
aufhalten wollen», sagte Louis. «Ich würde es tun. Bitte kommen Sie durch diesen Durchgang. Wir gehen ins Beacon-Zimmer.»
    Er folgte ihr in den Durchgang. Es roch nach altem Dung, als seien in diesem Eingang über Generationen hinweg Arbeitsstiefel ausgezogen worden. Dann kam ein nach hinten gelegener, fensterloser Flur. Das

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