Ein dunkler Gesang

Drei-Akkorde-Songs von solchen Leuchten wie dir.»
    «Ich kann inzwischen einen vierten Akkord.»
    «Herzlichen Glückwunsch. Loste hat den Ehrgeiz, den gesamten
Gerontius
mit Chor und Orchester aufzuführen. Wenn man von dem ausgeht, was wir schon aufgenommen haben, könnte er das sogar ganz gut hinbekommen. Aber dafür muss er sich jemand anders suchen als mich.
Gerontius
ist mir zu groß, zu kompliziert. Außerdem: Will ich es wirklich mit einer Orchesterfassung des Jenseits zu tun haben, wo überall Engel und Dämonen rumschwirren? … Und dann noch zusammen mit Loste? Das ist nichts, Laurence. Ganz bestimmt nicht mit Timothy Loste.»
    Lol sagte: «Hatte Loste eine Frau dabei, als ihr die Aufnahmen gemacht habt? Eine Schriftstellerin namens Winnie Sparke?»
    «Ja. Aber das ist keine vielversprechende Beziehung, glaube ich. Sie sieht in ihm ihren Gespielen, und er sieht in ihr seine … Mami.»
    «Weißt du irgendwas über sie?»
    «Nicht viel. Sie schreibt. Esoterik-Romane oder so. Warum fragst du?»
    «Sie hat Merrily erzählt, sie und Loste stünden kurz davor, ein großes und wundervolles Geheimnis zu lüften.»
    «Merrily?», sagte Prof. «Das ist eine
Merrily
-Geschichte? Verflucht noch mal.
Ein großes und wundervolles Geheimnis?
Geh diesem Loste aus dem Weg, hab ich gesagt.
Geh ihm aus dem Weg!
»
    «Na ja, das ist zurzeit auch nicht besonders schwierig», sagte Lol. «Er sitzt in Untersuchungshaft. Die Polizei befragt ihn zu dem Mord auf dem Herefordshire Beacon.»
    «
Loste?
Geht es um den Mann, den man mit aufgeschlitzter Kehle in der alten Festung gefunden hat? Meinst du das ernst?»
    «Der Typ hat in diesem Hip-Hop-Schuppen gearbeitet, dem alten
Royal Oak Pub
bei Wychehill. Und den Laden hält Loste anscheinend für …»
    «Ein Werk des Teufels, um seine Kreativität zu zerstören. Davon habe ich gehört. Bloß ist es mit seiner Kreativität ohnehin nicht besonders weit her. Er ist ein Interpret. Ein Vermittler. Und mehr nicht. Verflucht, Lol, echt, verflucht noch mal.»
    Jemand klopfte an Lols Hintertür.
    «Glaubst
du
, er könnte jemanden umbringen?», fragte Lol.
    «Loste?» Prof trank noch einen Schluck Kaffee. «Ziemlich großer Kerl. Beim Dirigieren zerbricht er manchmal versehentlich den Taktstock. Aber er … Mit einem Messer? Wo das Blut überall rumspritzt?»
    Lol hörte, wie die Hintertür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Dann tauchte Jane an der Wohnzimmertür auf. Sie trug ihre Schuluniform. Sie lächelte nicht. Sie war ungewöhnlich blass. Als Lol aufs Sofa deutete, setzte sie sich, die Hände zwischen den Knien, und biss sich auf die Unterlippe.
    «Prof, kann ich dich zurückrufen?»
    «Hör mal», sagte Prof. «Wenn du wirklich mehr über Lostes Aufführungen wissen willst, kann ich dich mit jemandem aus seinem Chor in Kontakt bringen. Ich rufe ihn an, damit er sich bei dir meldet, okay?»
    Lol sah, dass Jane geweint hatte.
    «Großes und wundervolles Geheimnis», sagte Prof. «Dazu sag ich nur eins: Genau wie Elgar ist Loste von sich selbst und seinen Einfällen besessen. Mit den Menschen hat er es nicht so. Für ihn ist die Musik alles. Nichts außerhalb der Musik könnte für Loste groß und wundervoll sein. Erzähl das deiner Merrily.»
    «Mach ich», sagte Lol. «Danke.»
    «Und übrigens – ja, wenn irgendetwas seine Musik bedrohen würde, könnte ich mir tatsächlich vorstellen, dass er zum Mörder wird», sagte Prof.

33 Immerhin ein Ergebnis
    Auf einem neuen Schild stand
Starlight Cottage
.
    Winnie Sparke hatte das Cottage umbenannt, dessen Name früher Wyche Cottage gewesen war. Es hatte Natursteinmauern und war nicht viel größer als das von Hannah Bradley. Der Garten hinter dem Haus war um Felsgestein herum angelegt und endete unvermittelt in einer Art Felsklippe mit einem Eisenzaun. Darunter lag die Straße.
    Starlight. Winnie war von dem Brief aus dem Gemeindearchiv so beeindruckt gewesen, der offenbar an Elgar gerichtet und an Longworth weitergegeben worden war, dass sie ihr Cottage nach dem Briefeschreiber benannt hatte.
    Das warf einige interessante Fragen auf. Nicht einmal um halb zehn Uhr morgens war diese Frau zu Hause. Merrily spähte durch eines der kleinen Fenster, doch alles, was sie erkennen konnte, war eine Bücherwand. Ein letztes Mal schubste sie das Windspiel über der Tür an, das als Klingel diente, dann ging sie zurück zum Auto, auf dessen Beifahrersitz die
Malvern Gazette
lag.
    RITUALMORD – ORTSANSÄSSIGER FESTGENOMMEN
    Tim Lostes Name