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Ein dunkler Gesang

Ein dunkler Gesang

Titel: Ein dunkler Gesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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kannte, weil er so viel auf Geschäftsreisen war.»
    «Streit?»
    «Dauernd.»
    «Wie an dem Abend, an dem Sie Ihren Unfall hatten?»
    Stella blinzelte zu Merrily hinauf und tastete nach ihrer Sonnenbrille.
    «Was wollen Sie? Ich dachte, Sie sind schon neulich Abend auf Ihre Kosten gekommen.»
    «Dieses Mal möchte ich nur die Wahrheit, wenn’s geht. Warum haben Sie die Polizei und auch sonst alle angelogen?»
    «Gehen Sie, verdammt!»
    «Na ja, es ist ziemlich offensichtlich, warum Sie gelogen haben. Ich wollte es nur noch einmal von Ihnen selbst hören und ein paar Zusatzfragen stellen. Niemand erfährt davon. Und Sie ziehen ohnehin weg. Das tun Sie doch, oder war das auch …»
    «Nein!»
    Stella starrte in ihren Kaffeebecher. Sie schniefte und stand auf.
    «Ich lüge eigentlich andauernd. Paul ist nicht in Ledbury, er ist in London und kommt erst morgen Vormittag wieder. Aber ja, wir ziehen weg. Möchten Sie einen Kaffee, oder wollen Sie mir einen Vorwand liefern, eine Flasche Wein aufzumachen?»
     
    Stella verschwand im Haus. Merrily schaute zu den verwundeten Felsen hinter den Bäumen hinüber, rauchte eine Zigarette und hörte mit ihrem Handy den Anrufbeantworter im Pfarrhaus ab.
    Fünf Nachrichten.
    Vor zehn Uhr vormittags?
    Erste Nachricht:
«Hallo, Mrs. Watkins, vielleicht wissen Sie noch, wer ich bin – Amanda Patel von
BBC Midlands Today
. Dieses Mal geht es nicht um Sie, das freut Sie bestimmt, aber ich habe den Artikel über Ihre Tochter im
Guardian
gesehen, und wir würden ihn gern für einen Beitrag aufgreifen. Ich war schon in der Schule, aber da ist sie anscheinend nicht aufgetaucht, also habe ich mich gefragt …»
    Nicht in der Schule?
Guardian?
    «… ob Sie mich vielleicht selbst möglichst bald zurückrufen könnten. Ich mache mich demnächst auf den Weg nach Ledwardine, deshalb gebe ich Ihnen mal meine Handynummer …»
    Merrily schaltete das Handy aus und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, als Stella Cobham wieder aus dem Haus kam. Sie trug ein grünes Seidenkleid und hatte in einer Hand eine offene Chardonnay-Flasche mit verdächtig niedrigem Pegelstand und in der anderen zwei Gläser.
    «Wie sieht’s eigentlich auf Ihrem Punktekonto aus, Merrily?»
    «Keine Ahnung.»
    Stella musterte sie kritisch.
    «Alles in Ordnung?»
    «Ja.»
    «Auf meinem sind jedenfalls so viele Punkte, dass ich mich kaum noch hinters Steuer wage. Können Sie sich vorstellen, wie es wäre, hier ohne Auto zu leben?»
    «Ich …» Konzentration. «Ja, ich kann mir vorstellen, warum Sie ein Protokoll wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss nicht brauchen konnten.»
    «Ich war nicht betrunken. Ich war einfach nur rasend vor Wut.»
    Stella zog mit der einen Hand den Ausschnitt ihres Kleides zusammen und griff mit der anderen nach dem Weinglas. Sie nahm es hoch und stellte es wieder hin, als sei das eine Art Beweis für ihre Nüchternheit an jenem Abend.
    «Danach habe ich mit diesen dumm herumquakenden deutschen Touristen an der Straße gestanden, um mir den Schaden anzusehen, und es war klar, dass es meine Schuld war. Und ich dachte: Scheißescheißescheiße, was mach ich jetzt bloß? Da bin ich auf die Idee gekommen. Ich hatte gehört, dass der irre Loste behauptet, Elgar gesehen zu haben, und da habe ich gedacht: Was hast du zu verlieren? Und dann … dann gab es kein Zurück mehr.»
    Sie ist eisern bei ihrer Geschichte geblieben, hatte Bliss am Telefon gesagt. Hat gesagt, es hätte schließlich schon ein anderer diese Erscheinung gehabt.
    «Und vermutlich», sagte Merrily, «haben Sie diese Erfindung kürzlich bei der Versammlung einfach nur wiederholt, weil …»
    «Weil ich diese gehässigen Kommentare leid war und weil Sie mir leidgetan haben. Außerdem wollte ich Devereaux dieses ewige selbstgefällige Lächeln abgewöhnen, denn wenn er nicht gewesen wäre …»
    «Devereaux?»
    «Ich war so wütend … bin zu spät ausgewichen … ich … Paul hatte angefangen, lange Spaziergänge zu unternehmen, um ‹in Form zu bleiben›. Und ich habe mir meinen Teil gedacht.»
    «Das verstehe ich nicht.»
    «Ich dachte, er hätte eine Affäre. Mit dieser verdrehten Esoterik-Tussi in ihren durchsichtigen Kleidern.»
    «Winnie?»
    «Ja. Ich habe Paul beschuldigt, er hätte was mit Sparke. Ich weiß, dass sie ihm gefallen hat … und sie ist ja offensichtlich für jeden zu haben. Das merkt man doch.»
    «Und hatten sie? Eine Affäre?»
    «Er hätte garantiert eine angefangen. Ich meine, darum ging es ja. Und ich

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