Ein dunkler Gesang
wurde nicht erwähnt – wie üblich, solange noch keine Anklage erhoben worden war. Die Titelstory berichtete, dass der brutale Mord auf dem Beacon eine Gemeinde erschüttert hatte, die noch unter dem Unfall mit zwei Todesopfern am vergangenen Wochenende litt (siehe Seite drei).
Auf Seite drei war unter der Schlagzeile
ES WIRD NOCH MEHR TODESFÄLLE GEBEN
eine Nahaufnahme der scharfen Gesichtszüge Leonard Hollidays zu sehen. In dem Artikel wurde berichtet, dass die Bürgerinitiative Wychehill eine sofortige Schließung des im
Royal Oak Pub
ansässigen Tanzlokals forderte. Der nächtliche Verkehr habe sich auf Straßen, die kaum breiter seien als Reitwege, dramatisch erhöht, und ein «großstädtisches» Nachtleben versetze die Anwohner in Furcht und Schrecken. Mrs. Aird, eine alleinlebende Witwe, sagte: «Es ist furchtbar. Von Freitagabend bis Sonntagvormittag bin ich eine Gefangene in meinem eigenen Haus.»
Der Besitzer des
Royal Oak
, der Veranstalter und Galerist Rajab Ali Khan, hatte gesagt: «Ich habe nicht vor, dem Obduktionsbericht der bedauernswerten Todesopfer vorzugreifen, bin aber sofort zur Zusammenarbeit bereit, wenn mir Mr. Holliday auch nur den kleinsten Beweis für Schäden an Leib oder Habe irgendeines seiner Nachbarn liefert.» Die Formulierung klang, als hätte sich Raji den Satz von seinem Anwalt schreiben lassen.
Merrily faltete die Zeitung zusammen. Oberhalb der Straße war auf Winnies Hügel die herausgeputzte Scheune der Cobhams zu sehen. Ein Bild von ihr würde sich im Schaufenster des Maklers höchst verführerisch machen.
Stella … Als Merrily in Ledbury angehalten hatte, um die Gazette zu kaufen, hatte sie eine Nachricht von Bliss abgehört, der sagte, er hätte von der Verkehrspolizei ein paar Informationen über Stella. Sie hatte ihn sofort zurückgerufen. Als er ihr erzählte, was er erfahren hatte, bekam Merrily einen ganz schalen Geschmack im Mund.
Sie konnte es genauso gut gleich hinter sich bringen.
Merrily ließ den Volvo vor dem Starlight Cottage stehen, ging zu der Scheune hinauf und an der Vordertür vorbei zur Rückseite. Sie klinkte ein niedriges Türchen auf und betrat einen gepflasterten Platz. Darauf standen ein Holztisch und ein gelb gestreifter Sonnenschirm, und eine Frau saß mit dem Rücken zu Merrily. Sie hüstelte leise.
«Guten Morgen, Mrs. Cobham.»
Stella wirbelte herum, ihr rotes Haar flog um ihren Kopf wie Feuer, und die Bewegung wurde noch unterstrichen von ihrem losen Kimono, auf den gelbe Drachen gestickt waren. Ein Schluck Kaffee war auf dem Kimono gelandet.
«Tut mir leid, dass ich Sie erschreckt habe.»
«Sie.» Stella nahm die Sonnenbrille ab und begann, an dem Kaffeefleck herumzureiben. «Ich habe Sie in Ihrer normalen Kleidung gar nicht gleich erkannt. Was möchten Sie? Wir mögen es eigentlich nicht, so überfallen zu werden.»
«Also … es macht mir nicht allzu viel aus, dass Sie mich zuerst hergelockt und dann am Telefon eine Kehrtwende gemacht haben.»
«Wie können Sie …»
«Und Sie glauben, das ist jetzt ein guter Moment, um ein Haus in Wychehill zu verkaufen?»
Merrily legte die
Malvern Gazette
auf den Tisch.
«Das spielt keine Rolle.» Stella warf kaum einen Blick auf die Zeitung. «Keiner der potenziellen Käufer kommt aus dieser Gegend. Hören Sie, Paul ist nur kurz nach Ledbury gefahren, und wenn die Themen wieder aufgewärmt werden, über die Sie vermutlich reden wollen, bekommt er ziemlich schlechte Laune. Und zurzeit ist es mit unserer Ehe … so knapp.»
Sie hielt Daumen und Zeigefinger ungefähr einen Millimeter auseinander.
«Also ist dieser Umzug ein Neuanfang?», sagte Merrily.
«Meine Gute, das …» Stella ließ sich in ihren Liegestuhl zurückfallen. «Das hier sollte der Neuanfang sein. Er ist ‹in den Ruhestand› gegangen.» Sie malte Anführungszeichen in die Luft. «Ich hätte ahnen müssen, was für eine grauenvolle Vorstellung das für einen Mann ist. Wahrscheinlich denkt da jeder an kurz bevorstehende Impotenz.»
«Was? Wo doch heute anscheinend alle schon mit fünfzig in den Ruhestand gehen?»
«Paul muss irgendetwas beweisen. Wir hatten dieses Haus ursprünglich nur als Feriendomizil gekauft. Er hat früher mit Geschäftspartnern in New England gearbeitet. Er wollte dorthin umziehen, aber ich wollte das hier zu unserer ständigen Bleibe machen. Eine katastrophale Idee. In der Einsamkeit aneinandergekettet – für immer! –, und zwar mit einem Mann, den ich eigentlich gar nicht richtig
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