Ein Earl kommt selten allein (German Edition)
kam Richard zu dem Schluss, dass er wohl riskieren musste, so schnell wie möglich durch das Haus zu gehen und durch die Eingangstür wieder nach draußen zu verschwinden.
Er kehrte ins Arbeitszimmer zurück, zog die Terrassentüren zu und blieb stehen, als an der Eingangshalle ein Klopfen erklang. Ausdruckslos starrte er auf die Tür, warf einen Blick zurück zur Terrasse und ließ sein Bündel einfach zwischen sich und dem Schreibtisch zu Boden sinken. Er vergewisserte sich rasch, dass nichts hinter dem Schreibtisch herauslugte, dann rief er: »Ja?«
Die Tür öffnete sich, und Haversham blinzelte mit einer Miene herein, die darauf hindeutete, dass er sich nicht sicher gewesen war, was er vorfinden würde. Woraufhin sich Richard fragte, wobei zur Hölle der Butler seinen Bruder im letzten Jahr hier erwischt hatte. Sicher war George doch nicht so ungehobelt gewesen, Frauen in das gleiche Haus zu holen, in dem seine Gemahlin schlief?
»Was ist, Haversham?«, fragte er ruhig.
Der Butler räusperte sich und richtete sich im Türrahmen auf. »Ich hatte mich gefragt, ob Sie noch irgendetwas brauchen, bevor Sie sich zurückziehen.«
»Nein. Danke. Du kannst zu Bett gehen«, sagte Richard ruhig, und als der Mann sich rückwärts zur Tür bewegte, fragte er: »Ist sonst noch jemand vom Personal auf?«
Haversham machte eine Pause und dachte kurz nach. »Nicht dass ich wüsste, Mylord … abgesehen vielleicht von Grace, Lady Christianas Zofe. Sie ist wahrscheinlich noch auf.«
»Richtig«, murmelte Richard. »Zieh dich ruhig zurück und geh ins Bett. Und in Zukunft brauchst du nicht mehr so lange aufzubleiben, Haversham, aber darüber werden wir uns morgen noch genauer unterhalten.«
»Wie Sie wünschen«, murmelte Haversham und zog die Tür hinter sich zu.
Richard wartete einen Moment, ließ dem Mann Zeit, sich von der Tür zu entfernen, und bückte sich anschließend, um den eingewickelten George wieder hochzuheben. Seufzend richtete er sich mit der Last auf und ging zu der Tür, die Haversham gerade geschlossen hatte, lauschte kurz und öffnete sie dann einen Spalt. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Eingangshalle leer war, eilte er aus dem Arbeitszimmer und begab sich mit schnellen Schritten schnurstracks zur Haustür.
Woodrows Kutsche stand noch immer dort auf der Straße, wo sie sie zurückgelassen hatten. Der Fahrer saß zusammengesunken auf seinem Platz, das Kinn war ihm auf die Brust gesunken. Er schlief offenbar.
Richard ging so schnell wie möglich zu der Kutsche, öffnete den Schlag und warf George über eine der beiden Bänke, oder besser: Er versuchte es. Steif, wie sein Bruder war, rollte er gleich wieder herunter. Außerdem ragte er aus der Tür heraus.
Richard zögerte, aber er konnte nicht zulassen, dass George aus dem Wagen herausragte. Fluchend sah er sich um und massierte seinem Bruder zuerst den Hals und dann die Beine, bis er in der Lage war, ihn so zu krümmen, dass er ihn auf der einen Seite auf die Bank drücken konnte. Dann nahm er sich einen Moment Zeit, um dafür zu sorgen, dass sich die Decke nicht verschoben hatte, bevor er sich wieder aufrichtete und ins Haus zurückkehrte.
Von Daniel war immer noch nichts zu sehen. Wo steckte er bloß? Sie mussten sich überlegen, was sie mit George tun würden. Richard selbst hatte keine Ahnung, wo sie die Leiche die nächsten paar Tage aufbewahren sollten, und da dies alles Daniels Idee gewesen war, hoffte er, dass sein Freund auch noch die eine oder andere Idee haben würde.
Nachdem ein paar Augenblicke vergangen waren, ohne dass er etwas von Daniel sah, schloss Richard die Kutschentür wieder und kehrte ungeduldig ins Haus zurück.
»Idiot«, murmelte Christiana und starrte zu den Vorhängen über ihrem Bett; sie wünschte sich, sie würden aufhören zu schwanken. »Dummer Dicky. Dummer Earl Dicky. Earl Dicky Dumm.«
Sie verzog das Gesicht wegen der sich drehenden Vorhänge und seufzte unglücklich, während sie darauf wartete, dass er zurückkehrte, damit sie sich seinen Hintern ansehen konnte … was sie wirklich nicht gern wollte, versicherte sie sich immer wieder, und auch nicht
müsste
, wenn er nicht so ein großer dummer Dicky wäre. Zu diesem Schluss war Christiana gekommen, seit Grace sie allein gelassen hatte, denn sie war genau genommen als Frau ganz in Ordnung. Keine wahre Schönheit, aber auch nicht hässlich, und sie war einigermaßen klug und nett. Grundgütiger, sie nörgelte nie an ihrem Gemahl herum oder stellte
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