Ein echter Schatz
wohnte in einem Haus in der Myrtle Street am Rand von Burg. Das Haus war als zusätzliche Sicherheit für die Kaution aufgeführt, der Besitzer war Stewarts Cousin Trevor.
Es klopfte polternd an meiner Tür. Ich guckte durch den Spion, draußen stand Joyce.
»Mach die Tür auf«, schrie sie. »Ich weiß, dass du da bist.« Sie rüttelte an der Tür, aber die Tür hielt stand.
»Was willst du?«, rief ich.
»Mit dir reden.«
»Worüber?«
»Über Dickie, du Volltrottel. Ich will wissen, wo er ist. Du hast das mit dem Geld herausgefunden, und deswegen hast du ihn verschleppt.«
»Warum willst du wissen, wo er ist?«
»Das geht dich nichts an. Ich muss es eben wissen«, sagte Joyce.
»Was hast du da für eine alberne Strickmütze auf dem Kopf?«, fragte ich sie. »Ich hätte dich beinahe nicht erkannt. Du trägst doch sonst nie was auf dem Kopf.«
Verlegen zupfte Joyce an der Mütze herum. »Es ist kalt draußen. Bei so einem Wetter trägt jeder Mütze.«
Vor allem Leute, die Biberpelz im Haar kleben haben.
»Also. Wo ist er?«, fragte Joyce wieder.
»Habe ich dir schon gesagt. Ich weiß es nicht. Ich habe ihn nicht getötet. Ich habe ihn nicht entführt. Keine Ahnung, wo er steckt.«
»Na gut«, sagte Joyce. »Du hast es so gewollt.« Mit diesen Worten stürmte sie davon.
»Habe ich hier irgendwas nicht kapiert?«, fragte ich Rex. »Wie konnte es nur so weit kommen?«
Rex schlief in seiner Suppendose. Gar nicht so einfach, mit einem Hamster in einer Suppendose ein ernstes Gespräch zu führen.
So wie der Tag für mich anfing, dachte ich, wäre es vielleicht nicht schlecht, Lula mitzunehmen, wenn ich Stewart später meine Aufwartung machen wollte. Bei Ergreifung von Kautionsflüchtlingen war Lula keine große Hilfe, aber sie konnte meine Donutgelüste nachvollziehen, wenn eine Festnahme in die Hose ging.
»Was hat der Mann denn verbrochen?«
Lula saß auf dem Beifahrersitz von Rangers Cayenne und blätterte in Stewart Hansens Akte. »Hier steht einfach nur verbotene Rauschmittel. Wer hat diesen Bericht verfasst? Das besagt doch überhaupt nichts.«
Ich bog in die Myrtle ein und fuhr an Hansens Haus vorbei. Irgendwie sah es friedlich aus, kleines Cottage, kleines Grundstück, von den anderen Häusern in der Straße nicht zu unterscheiden. Um die Haustür herum hing noch die Weihnachtsbeleuchtung, aber sie brannte nicht. Ich umrundete einmal den Häuserblock und parkte dann vor dem Nachbarhaus. Lula und ich stiegen aus und gingen zu Stewart Hansens Haus.
»Total verrammelt«, sagte Lula. »Verdunklungsvorhänge an allen Fenstern. Entweder wollen die Hansens Energie sparen, oder sie laufen alle nackt herum.«
Connie hatte mir neue Handschellen und einen neuen Elektroschocker gegeben. »Ein Nackter lässt sich leichter mit einem Schocker anpieksen.«
»Ja, man hat mehr Angriffsfläche zur Auswahl. Und? Bist du bereit?« Ich hielt ihr den hochgereckten Daumen entgegen, alles okay, und sie holte ihre Pistole hervor und lief zur Rückseite des Hauses, um den Hintereingang zu bewachen. Ich konnte einigermaßen sicher sein, dass sie erst gar nicht in die Lage kommen würde, auf jemanden zu schießen, denn allein beim Anblick ihrer Aufmachung, gezückte Glock, Wuschelfell-Boots, giftgrüne Strümpfe, farblich dazu passender Elastan-Minirock, obenrum rosa Kaninchenfelljäckchen, wäre selbst der stärkste Mann in Ohnmacht gefallen.
Handy und Mikro hatte ich an meinen Mantelkragen gesteckt, die Leitung stand. »Bist du auf deinem Posten?«, fragte ich Lula.
»Ja«, hörte ich Lula von der Rückseite des Hauses.
Mit meiner schweren Maglite-Stablampe hämmerte ich an die Tür. Keine Antwort, deswegen versuchte ich es noch mal.
»Kautionsagentur! Machen Sie auf.«, rief ich.
»Scheiße«, sagte Lula in die Sprecheinrichtung. »Brüll das nächste Mal nicht so laut ins Mikro. Es hätte mir beinahe das Trommelfell zerfleddert.«
»Ich gehe jetzt rein«, sagte ich.
»Du brauchst nicht mit aller Gewalt die Tür einzutreten. Der Hintereingang ist offen.«
Ich hörte einen Schuss, kurz erfasste mich Panik. »Oh«, sagte Lula.
»Vergiss es.«
Die Haustür war abgeschlossen, deswegen wartete ich darauf, dass Lula mir von innen öffnete. Sie lachte, als sie mich hereinbat.
»Halt dich fest. Du glaubst es nicht«, sagte sie. »Das ist ein echter Volltreffer.«
Ich betrat einen kleinen, aus Sperrholzplatten gezimmerten Eingangsraum, von dem eine Tür abging. Hinter dieser Tür stand alles voller
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