Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
gehen. Er hat mit Arvid Lunde schon viel mehr Geduld bewiesen, als man erwarten darf. Die eine Sache sind die Ausschläge an der Börse, aber eine Firma muss Erfolg haben oder sterben. So ist es eben, sagt Christiansen und schluckt den letzten Bissen Banane hinunter.
Arvid Lunde hatte den Journalisten erzählt, Geld sei für ihn nicht die treibende Kraft gewesen, aber jetzt hatte er keine Ahnung, wie er ohne Geld leben sollte. So schnell kann man sich an ein Leben im Wohlstand gewöhnen. Lunde hatte von C. Conroy Sons & Co. die Kündigung bekommen, er schuldete der Oslobank mehrere Millionen, das Blatt hatte sich gewendet. Gleichzeitig war er von der Bürde Besitz befreit. Arvid Lunde war im Grunde wieder ein freier Mann. Daheim erzählte er nicht, dass er die Kündigung bekommen hatte. Er stand jeden Morgen auf, zog seine Topman-Anzüge an und verließ summend sein Zuhause, als wäre nichts passiert. Den halben Tag saß er in der Deichmanske Bibliothek, las das Wall Street Journal und die Financial Times , bevor er um die Mittagszeit zur Osloer Börse ging, die Stimmung in sich aufnahm und fühlte, dass das hier immer noch sein Ding war, sofern er sich nur Kapital beschaffen konnte, um zu spekulieren, sofern er nur in Gang kam. Wir sind in einem Wolkenkratzer vom 36. ins 34. Stockwerk gerutscht, erklärte er Grace am Abend im Bett. Mehr ist nicht passiert, wir reden hier nur von einer Korrektur der Weltwirtschaft. Sie sagte, sie sei müde, sie habe keine Lust, mit ihm über die internationale Wirtschaft zu sprechen.
Tja, das hier ist das herzloseste Versprechen einer Demokratie: Alle können alles werden. Uns wird erzählt, dass wir alle gleich sind, aber sobald das Herz zu schlagen beginnt, sind wir keineswegs mehr gleich. Es gibt Theorien, die besagen, der Sinn eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs bestehe darin, diejenigen abzuschütteln, die zu schnell zu Geld gekommen sind. Wie hoch die Neureichen auch klettern, die Snobs werden immer auf sie herabschauen. Nein, sie haben es nicht verdient, es muss eine Korrektur geben, das System muss diejenigen wegspülen, die gekommen sind, die alte Welt aus den Angeln zu heben. Arvid Lunde hatte seine Freunde aus der konservativen Partei angerufen, aber sie antworteten nicht auf die Nachrichten, die er hinterließ. Im Januar war er auf Rolf Presthus’ Beerdigung in der Sofiemyr-Kirche gewesen, damals war es ihm unpassend vorgekommen, wirtschaftliche Probleme anzusprechen, ausgerechnet bei der Beerdigung eines früheren Finanzministers. Auch empfand er eine gewisse Mitschuld an Presthus’ Tod. Nachdem Grace in seinem Leben aufgetaucht war, hatten sie nicht mehr miteinander Squash gespielt. Lunde ging weiterhin joggen, ja, er lief jeden Tag, aber für Squash hatte er keine Zeit mehr. Er fürchtete, dies sei einer der Gründe, weshalb der ehemalige Finanzminister so früh von ihnen gegangen war. Arvid Lunde stand am Sarg im Schnee und sagte sich, dass er weiterhin hätte Squash spielen sollen. Die bürgerliche Regierung war mittlerweile Geschichte, Rolf Presthus war unter der Erde und die Yuppie-Zeit vorbei. Die Nation war die ganzen Achtzigerjahre hindurch auf einem Sonntagsspaziergang gewesen. Jetzt kam der Montag.
An einem frühen Morgen im August klingelte es in der Inkognitogate an der Tür. Grace ging zur Gegensprechanlage und sagte: Ja bitte? Eine Stimme fragte, ob sie nach oben kommen könnten. Zwei Männer im Anzug betraten das Haus, grüßten und sahen sich um. Nette Bude, sagte der eine. Sehr nett, sagte der andere. Arvid fragte, ob es nicht möglich sei, das Ganze zu vertagen. Er schlug vor, sich zum Mittagessen in einem Restaurant zu treffen. Grace warf ihrem Mann einen strengen Blick zu, bevor sie die Gäste fragte, ob sie frühstücken wollten. Beide nahmen die Einladung an, spielten ein wenig mit Robby, während Grace Kaffee kochte und Brötchen aufschnitt. Die Frühstücksgäste lobten den frischgepressten Saft. Ich habe noch nie einen so guten Saft getrunken, sagte der eine. Der beste Saft, den ich kenne, sagte der andere. Sie haben Glück, Lunde, sagte der eine. Viel Glück, sagte der andere. Nette Familie. Hübsche Frau, einen tollen Jungen. Sie tätschelten Robby den Kopf. Arvid Lunde nickte. Schmieren Sie sich Ihre Brote selbst?, fragte der eine. Nein, sagte Arvid Lunde. Da haben Sie es bequem, sagte der eine Anzugmensch. Sehr bequem, sagte der andere. Als sie gingen, bedankten sich die Gäste wortreich und sagten, es sei sehr angenehm gewesen, sie
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