Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
geradeaus. Ich kenne ein paar Tricks, um nicht einzuschlafen, sage mir die Namen einiger Möbel auf, die wir im Laden verkauft haben. Betrachte mich im Rückspiegel. Du hübsches Bürschchen. Du durchtriebener Kerl.
Im Herbst 1991 wurde klar, dass IKEA in Åsane die Genehmigung zur Geschäftserweiterung erhalten würde. Da ergriff ich die Initiative für ein Treffen. IKEA war natürlich nicht gewillt, zu mir zu kommen, also ging ich zu ihnen. Da saßen sie, die Schrauben-Könige. Schlampige Anzüge, zerknitterte Hemden. Willkommen im Schlachthaus. Es ist ja wirklich traurig, dass es solche Konsequenzen für Sie hat, sagte Billy. Ja, wir haben versucht, auf alle Grundbesitzer Rücksicht zu nehmen, sagte Ivar. Rücksicht?, fragte ich. Ja, es besteht kein Zweifel daran, dass die Straße auf lange Sicht zu schmal ist, sagte Billy. Ivar nickte: Wir müssen dafür sorgen, dass das Straßensystem ausgebaut wird, das ist gut für alle, die hier wohnen, und für IKEA. Was ist mit mir?, fragte ich. Möbel-Lunde wird inmitten der geplanten Spaghettikreuzung stehen, ohne Parkplätze und vernünftige Zufahrtswege. Billy und Ivar nickten lächelnd mit jenem Körperteil, von dem ich annahm, dass sie ihn sporadisch zum Denken nutzten. Hier ist es heute schon eng, sagte Billy. Wir stehen unter dem Druck der Kunden, sagte Ivar. Eng? Kunden? So ein Quatsch. Ich fixierte sie eine halbe Minute lang, ohne zu blinzeln. Billy schlug die Augen nieder. Ivar rührte mit einem Kugelschreiber in seinem Kaffee. Kein Stil, kein Halt. Ich hatte nichts mehr zu sagen. Ich sagte nicht einmal Lebewohl, als ich ging. Ich nahm meinen Hut und meinen Schirm, knallte die Tür zu. Wrrgh. Scheißkerle.
Als mir aufging, worauf das Ganze hinauslief, holte ich mir auch einen Termin beim Bürgermeister von Bergen. Damals hatte IKEA die Genehmigung für eine Erweiterung von 14 000 auf 39 000 Quadratmeter erhalten. Ein Jahrzehnt früher war uns die Genehmigung für den Bau eines Lagers in exakt derselben Gegend verwehrt worden mit der Begründung, wir würden ein wertvolles Feuchtbiotop zerstören. Ich habe mich damals damit abgefunden, dass wir den Kiebitzen, Schnepfen und Rohrdommeln nicht das Leben schwermachen sollten. Als IKEA vom Stadtrat die Genehmigung erhielt, wollte ich mich bei Bürgermeister Olsen erkundigen, ob die armen Vögel mittlerweile ausgestorben waren oder wie es ihnen ging. Ich hatte meinen besten Anzug angezogen und saß eine halbe Stunde mit meinem Aktenkoffer im Vorzimmer des Bürgermeisters, ohne dass etwas geschah. In regelmäßigen Abständen schaute die Sekretärin vorbei, um den Bürgermeister zu entschuldigen, der Mann sei über mein Anliegen absolut im Bilde, ich würde bald zu ihm vorgelassen. Als ich endlich meine Audienz bekam, sagte Olsen, er müsse einen Flieger nach London erwischen. Ob ich etwas dagegen hätte, ihn im Taxi zum Flughafen zu begleiten, dann könnten wir uns auf der Fahrt unterhalten. Ich sagte zu ihm: Ich bitte nur darum, dass meine 3500 Quadratmeter nicht angetastet werden. Der Bürgermeister sagte: Sie haben meinen Respekt. Dann hielt er einen zwanzigminütigen Monolog darüber, wie wichtig IKEA für den Handel und die Wirtschaft, für Bergen und Åsane sei. Natürlich sei es traurig, dass der Ausbau und die Konkurrenz Konsequenzen für die anderen Geschäftsleute hätten, aber IKEA sei bereit, den Straßenausbau zu finanzieren. Das komme allen zugute, sagte der Bürgermeister der Arbeiterpartei, auf lange Sicht auch Ihnen. In dem Moment wurde mir klar, dass es völlig unmöglich war, gegen IKEA anzutreten. IKEA zu kritisieren war so, als kritisierte man die Menschheit. Wollte man IKEA weghaben, wollte man die Menschheit weghaben. Es ist eine unlösbare Aufgabe.
In den ersten Jahren nach der Eröffnung der IKEA-Niederlassung war von unserem neuen Konkurrenten kaum die Rede gewesen. Die Stammkunden sagten nicht, dass sie auch bei IKEA einkauften, es war kein Thema, eine Schüssel Milch, die keiner anrührte. Mit der Zeit kamen die Kunden zu Möbel-Lunde und hatten hitzige rote Flecken am Hals, wie nach einem heimlichen Rendezvous. Ich wusste sofort, dass ich einen Kunden vor mir hatte, der bei IKEA gewesen war. Ich war nicht enttäuscht, wirklich nicht, ich wollte nicht, dass unsere Kunden sich verstellen mussten, ich erwartete keine glühenden Liebesbriefe. Ich lächelte und gab ihnen recht, als wären sie Kinder, zu denen man sich hinunterbeugen und denen man die Wange streicheln musste. Es war mir
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