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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

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Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Grytten
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kann. Wo wollen Sie hin?, fragt er. Wo bin ich?, frage ich. Älmhult, sagt er. Älmhult?, frage ich. Schweden, sagt er. Schweden?, frage ich. Die Räder drehen durch, doch dann bekommen die Reifen Halt, und ich kann zurücksetzen. Schnee fällt von einigen Kiefern, wie herabrieselnder Zucker. Wir fahren wieder auf die Straße. Wohin willst du?, frage ich meinen jungen Passagier erneut. Heim, sagt er. Hm, sage ich. Ich betrachte den Jungen, er trägt einen Kapuzenpulli unter der Lederjacke, hat die Mütze tief ins Gesicht gezogen. Er kaut auf einem Kaugummi während der Fahrt. Kaugummi ist für mich das Allerschlimmste. Die Leute kauen auf ihrem Kaugummi herum, solange noch ein Hauch von Geschmack drin ist, dann spucken sie das Ding auf der Stelle aus. Pfütt! Der Kaugummi klebt auf dem Bürgersteig oder Asphalt fest und bildet weiße Flecken über den ganzen Globus verteilt. Eines schönen Tages wird der Globus ein einziger Kaugummiklumpen sein. Wie heißt du?, frage ich. Ebba, sagt er. Ebba? Er heißt Ebba. Ich zucke mit den Schultern. Ich muss zugeben, der Junge verwirrt mich, ja, er kratzt an meinem Selbstverständnis als Menschenkenner. An dem Möbel-Lunde, der im Laden stand und alle kannte, die hereinkamen. Auch wenn ich ihre Namen nicht wusste, kannte ich zumindest ihr Naturell. Ich sah mich als einen erfahrenen Sammler, ich wusste immer, welche Arten ich stehenlassen musste und welche ich pflücken konnte. Hier kommt ein Witwer, dachte ich etwa, und erstaunlich oft hatte ich recht. Hier kommt ein Paar, das heiraten will, dachte ich, hier kommt ein Streithahn, hier ein Erbsenzähler. Den Kerl solltest du dir vom Leib halten, Harold, tödliche Gefahr. Jemand, der die Träume der Leute erfüllen will, muss alles über die Leute wissen. Den Jungen hier kann ich nicht einordnen. Wie alt bist du?, frage ich. Vierzehn, sagt er. Er wirkt klein und schmächtig für sein Alter. Ich sehe ein, dass ich die Taktik ändern muss. Du bist also ein Mädchen, Junge?, frage ich. Was?, fragt er. Flicka ?, wiederhole ich auf Schwedisch. Das Mädchen grinst und nimmt die Mütze ab, fährt sich mit der Hand durch die Haarbüschel. Rasta, sagt sie. Ich nicke. Rasta. Es ist ein Mädchen. Rasta. Was wollten Sie hier im Wald?, fragt Ebba. Ich sehe sie an. Ich habe mich hingelegt, um zu sterben, sage ich. Sie starrt zurück. Dann habe ich Ihnen also das Leben gerettet? Ja, das hast du. Was wollen Sie hier in Älmhult?, fragt Ebba. Ich habe vor, jemanden zu entführen, sage ich. Cool, sagt sie. Du findest das cool?, frage ich. Kidnapping, ja? Das ist cool. Ich frage sie, was daran cool ist. Ebba sagt, dass hier nie etwas passiert, eine Entführung wäre cool. Ich starre durch die Windschutzscheibe und kann sie verstehen. Die Landschaft ist ein eintöniges Lied, eine langweilige Melodie geht in die nächste über. Es wirkt, als wären meine Fortbewegungsbemühungen in diesem Kiefernwald vergebens, ich komme nirgendwohin, auch wenn ich 60 bis 70 Kilometer die Stunde zurücklege. Wen wollen Sie kidnappen?, fragt Ebba. Ingvar Kamprad, sage ich. Perfekt, sagt sie. Ingvar Kamprad ist gut. Ich sehe sie an. Mir wird klar, dass sie die Erste ist, die mir wirklich glaubt.
    An einem Rasthof, der Matstugan heißt, Futterhütte, halte ich an. Bist du hungrig, Ebba? Sie nickt. Wir parken und gehen hinein. Ich bestelle die Tagessuppe, suche uns einen Tisch am Fenster. Draußen herrscht eine Art bläulicher Schatten. Dieser Tag endet also mit blauem Resultat. Wie lange hatte ich eigentlich tot dagelegen? Den ganzen Vormittag? Ich weiß es nicht. Wie wollen Sie es anstellen?, fragt Ebba. Was anstellen?, frage ich. Wie wollen Sie ihn kidnappen? Ich antworte nicht, spüre, wie sich eine Unruhe im Blut ausbreitet. Was für ein Aufwand, wenn man seine unglückseligen Gedanken umsetzen will. Bitterkeit kostet nichts, man sieht sein Lebenswerk einstürzen, nimmt es hin, suhlt sich in Verbitterung. Auf einen Racheakt muss man sich vorbereiten, man muss ihn organisieren, muss Pläne machen, sich wie ein Wahnsinniger ins Zeug legen. Wie wollen Sie es anstellen?, fragt Ebba erneut. Iss deine Suppe, sage ich. Sie nimmt den Löffel und führt ihn zum Mund. Ich sehe, dass sie auf der linken Hand ein Tattoo hat, ein kleines Herz aus schwarzer Tusche. Sie merkt, dass ich das Tattoo betrachte, und zieht den Jackenärmel so weit herunter, dass das Herz verdeckt wird. Ein heimlicher Freund?, sage ich augenzwinkernd. Sie legt den Löffel weg und verschränkt die Arme.

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