Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
zurück, nimm drei, zahl zwei. Ich lache laut über meinen eigenen Witz. Ich sitze allein hier und lache. Leute starren mich an. Für einen Moment bin ich glücklich. Eine andere Frau kommt auf mich zu. Zu meiner Überraschung ist sie nicht in Gelb und Blau gekleidet. Gratuliere. Peter musste leider zu einer Sitzung, sagt sie. Geht es um eine Beschwerde? Ich schüttle den Kopf. Dann habe ich wohl nicht ganz richtig verstanden, sagt sie, ich dachte, Sie wollten Ihr Geld zurück. Im Grunde schon, sage ich. Um welchen Artikel geht es?, fragt sie. Um Ingvar, sage ich. Ingvar? Haben Sie den Artikel bei uns gekauft? Nein, ich habe Ingvar bei mir zu Hause. Die Frau sagt: Könnten Sie vielleicht morgen noch einmal vorbeikommen, dann können wir darüber reden, nicht wahr? Ich bleibe noch einen Moment sitzen, dann stehe ich auf und gehe hinaus, tippe zum Gruß an meinen Hut.
Dies ist die vollkommene Stille des Abgrunds, denke ich. Zeit, nervös zu werden. Noch könnte ich ungestraft davonkommen, wenn ich Kamprad jetzt freiließe. Noch könnte ich umkehren. Oder auch nicht, ich habe mich schon schuldig gemacht, indem ich einem Mann die Freiheit geraubt habe, und sei es nur für wenige Stunden. Ein Mann wie Ingvar Kamprad verdient in ein paar Stunden Millionen. Ja, ich kann sicher eingelocht werden für meine Tat, während IKEA für seine jahrelangen Sünden frei herumläuft. Das Gesetz ist eine Sache, das Leben eine andere. Einer der Angestellten von Möbel-Lunde ist seinerzeit gegen mich vors Arbeitsgericht gezogen. Er hatte behauptet, seine Gesundheit habe unter der schlechten Belüftung im Laden gelitten. Zu dem Zeitpunkt war er seit fünfzehn Jahren bei uns und hatte chronisches Asthma entwickelt. Der Laden wurde von Rassellauten erfüllt, wenn er zur Arbeit kam, als würde sein Brustkasten hochgehoben und wieder abgesetzt. Er stand im Gerichtssaal und verlor kein Wort darüber, dass er seit seinem sechzehnten Lebensjahr wie ein Schlot rauchte. Wie dreist kann ein Mensch sein?
Kurz vor der Tür zu Zimmer 211 höre ich ein Klopfen, das von drinnen kommt. Ich schließe auf und mache die Tür rasch wieder zu. Ingvar Kamprad ist halb auf den Beinen. Sein Blick ist voller Hoffnung, doch dann sieht er, dass ich es bin. Er steht vor mir, fast im Spagat auf einknickenden Knien, stützt sich am Bettrahmen ab. Sein Bauch ragt ein wenig vor, ein paar Haare hängen ihm strähnig vom Kopf. Sein Gesicht ist feucht vom Schnee von vorhin. Er hat mit seinen braunen Schuhen gegen die Wand getreten. Ich führe ihn wieder zurück, drücke ihn aufs Bett. Dann entferne ich das Isolierband von seinem Mund. Er lächelt: Hallo, Sjöström! Ganz ruhig, ich muss ruhig bleiben, ich habe alle Zeit der Welt, nur ruhig. Ich bin Mr. Nicholson, sage ich. Oh, Entschuldigung, sagt Kamprad, ich dachte, Sie wären Sjöström. Wer ist Sjöström?, frage ich. Ach, das spielt keine Rolle. Nicht? Kamprad sieht mich durch die großen Brillengläser wie durch ein Schaufenster an. Er lächelt mich an, wie kleine Kinder lächeln. Der Schlingel, wird er jetzt menschlich werden? Er sitzt auf dem Bett, in seinem eigenen Hotel, in seiner eigenen Straße, und begreift überhaupt nicht, wie heikel seine Situation ist. Er weiß nicht, was mit ihm passieren wird, das muss ihn doch ein wenig beunruhigen. Das Schöne ist, dass ich es auch nicht weiß. Ich weiß nur, dass ich Kamprad habe und dass die Welt es jetzt erfahren muss. Es wäre sicher besser gewesen, in aller Ruhe zu verrotten, aber jetzt bin ich bei der Endabrechnung angekommen. Jetzt habe ich die Chance, einen letzten Anflug von Trübsinn, Hass und Ohnmacht zu genießen. Mein schwacher Wille soll genutzt werden, um Rache zu üben. Das ist alles. Ich muss den Preis bezahlen, auch wenn niemand für Kamprad zahlen will.
Ich muss pinkeln, sagt der Kerl. Pinkeln? Daran habe ich nicht gedacht. Ingvar Kamprad muss pinkeln, er hat garantiert eine schwache Blase, der Harndrang kommt bei ihm vermutlich früh, jetzt spürt er den wachsenden Druck. Ich sehe nach, ob man die Tür von innen verschließen kann. Dann lockere ich die Kette ein wenig, und er verschwindet im Bad. Ich höre ihn drinnen rumwerkeln, und einen Moment lang empfinde ich Mitleid mit ihm. Oh, in was für eine herrliche Situation habe ich uns zwei gebracht, zwei Möbelhändler im selben Hotelzimmer, zwei Jesusse in diesen Blödsinn verwickelt. Plötzlich ist von drinnen lauter Krach zu hören. Was macht er da? Weiß er etwa nicht, wie man pinkelt? Hat er
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