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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Grytten
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dass ich Durchfall habe. Alles fließt wie eine dünne Suppe aus mir heraus, eine vergiftete Suppe, die den ganzen Möbelladen vollspritzt, ich dünge Ecksofas, Wohnzimmertische, Lehnstühle, alles wird braun gefärbt. Ich werde von Ingvar Kamprads Stimme geweckt. Warum?, fragt er. Eine Weile liege ich still da, versuche weiterzuschlafen, aber er lässt nicht locker. Warum? Sie sind ein Mann, der bezahlen wird, sage ich. Es geht also um Geld?, sagt er. Nein, antworte ich, überhaupt nicht. Worum dann?, fragt er. Ich wiederhole, dass er ein Mann ist, der bezahlen wird. Er protestiert und sagt, dass er niemals Geld verschwende, er fahre mit dem Bus, anstatt ein Taxi zu nehmen, er fliege immer mit Billigfliegern, er lebe ganz spartanisch, nein, ich hätte den falschen Mann erwischt. Eben, sage ich, Sie sind ein Mann, der sich über Gebühr für Geld interessiert. Über Gebühr? Den norwegischen Ausdruck versteht er nicht. Sie beschäftigen sich mit nichts anderem als Geld, sage ich. Ich sehe im Dunkeln, dass sich sein Mund an einem Lächeln versucht, seine Augen werden schmaler. Ingvar Kamprad bricht in Gelächter aus. Ich spüre Anflüge des alten Hasses. In unserer Zeit erfordert es große Anstrengung, den Hass aufrechtzuerhalten. Man muss die richtige Einstellung haben, wenn man seinen Hass für etwas nutzen will. Langsam, aber sicher habe ich meinen Hass aufgebaut. Ich habe irgendwo gelesen, dass die Zeit des Hassens vorbei ist, die Rache gehört der Vergangenheit an oder zu Menschen, die andere Codices haben als wir. Rache ist exotisch geworden. Ich bin also ein exotischer Mann. Ich bin seit zwanzig Jahren auf den Tod vorbereitet, sagt Ingvar Kamprad. Meine Anteile an IKEA habe ich längst weggegeben. Ich antworte ihm, dass es darum nicht geht, es geht darum, dass es bei IKEA einen großen Schwachpunkt gibt. Welchen denn?, fragt er. Sie, sage ich. Kamprad sagt, ich müsse mich irren. Sein Lebenswerk würde nicht mit ihm sterben, niemand könne es ihm nehmen. Er könne sterben, IKEA würde weiterleben. Es müsste schon viel passieren, wenn IKEA nicht durchkäme, sagt Kamprad.
    Er erzählt von seinen Anfängen als Geschäftsmann, er fuhr mit dem Fahrrad herum, verkaufte Kugelschreiber, Uhren und Schmuck. Ich war so stolz, als ich meine erste Krone verdient habe, sagt Kamprad, die Münze habe ich immer noch. Ich höre seine Worte, sein Husten, seinen Atem. Ich überlege, ob ich ihn bitten soll, leiser zu sein. Ich bin schließlich nicht taub. Doch dann wird er still. Einen Augenblick lang glaube ich, dass er eingeschlafen ist. Dann höre ich Kamprad sagen: Sie können jetzt nicht mehr in Ihr Leben zurück, das ist Ihnen doch klar? Ich frage, ob ich ihm etwas über mein Leben erzählen soll. Er antwortet, ja. Ich sage: Sie haben es mir genommen.
    Das Haus ohne Marny war ein Haus ohne Atem. Ich hatte angenommen, es wäre eine Erleichterung, Marny aus dem Haus zu haben. Ich würde es für mich allein haben. Aber ich lief fröstelnd durch die Zimmer. Ich dachte, die Kälte wäre von kurzer Dauer und würde vorübergehen, der morgige Tag würde zum heutigen werden, ich würde wieder anfangen zu leben, Wärme zu tanken. Aber, was ich mir da einbildete, war kompletter Unsinn. Jedes Zimmer erinnerte mich an dich, Marny. Deine Kleider hingen im Garderobenschrank. Deine Zahnbürste stand im Zahnputzglas. Deine alten Armbanduhren lagen in der Nachttischschublade. Der Badezimmerschrank roch nach deinem Parfüm und deinen Seifen. Deine Schuhe standen im Gang, zum Anziehen bereit. All deine Sachen, auch wenn ich sie nicht berührte, sahen aus, als teilten sie meinen Verlust. Plötzlich war ich von meinem eigenen Leben getrennt. Deine Nähe hatte die Räume erfüllt, hatte sie sanft und hell erscheinen lassen, aber diese Nähe war verschwunden.
    Die schlichte Freude, jemanden in den Arm zu nehmen, einen anderen Menschen im Arm zu halten, war nicht mehr gegeben, eine fatale Leere hatte sich geöffnet. Ich konnte alles berühren, aber es war unmöglich, zu dem zurückzukehren, was unser Zusammenleben ausgemacht hatte. Die Luft im Haus war vollkommen schal, ohne Versprechen oder Verheißungen. Nachdem du ausgezogen warst, fand ich im Haus keinen Schlaf mehr, Marny. An ein paar Abenden ging ich nach draußen, um im Auto zu schlafen, aber ich lag wach und starrte im Wageninneren an die Decke. Der Körper unter dem Mantel war kalt, die grauen Haare waren tränenverklebt. An manchen Abenden schlief ich im Laden, er stand nach dem Konkurs

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