Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
Sie nickt. Kommen Sie nur herein!, ruft Kamprad. Ich schließe die Tür und sperre ab. Vielleicht kann er jemanden anrufen?, fragt Ebba. Anrufen? Wozu sollte das gut sein? Wir müssen die Entführung bekanntgeben, erklärt Ebba. Sie will ihn vorführen, sie will ihn zur Schau stellen. Ebba schlägt vor, ein Foto von Kamprad zu machen, vielleicht können wir ihn filmen. Das ist eine gute Idee, sagt Kamprad. Glänzend! Ich sehe Ebba an. Sie weiß ganz offensichtlich, was zu tun ist. Sie hat wohl zu viele Filme gesehen, denke ich. Was nicht verkehrt ist. Ich habe nicht die Illusion, dass alles gutgeht, wie es in diesen Filmen üblich ist. Sie sagt, wir sollten Kamprad an einen anderen Ort bringen. Sie hat recht. Zu viele Fenster zeigen hierher, zu viele Leute wollen durch diese Tür. Ihr Onkel hat einen Campingwagen auf dem Campingplatz Sjöstugan, sagt sie. Der Platz ist im Winter geschlossen, aber sie kann den Schlüssel besorgen. Perfekt. Sollen wir nicht warten, bis es dunkel ist?, frage ich. Mitten am Tag ist es besser, sagt Kamprad, mitten am Tag begeht niemand ein Verbrechen, niemand würde auch nur daran denken. Mischen Sie sich nicht ein, sage ich. Warum nicht?, fragt Kamprad. Ich packe meinen Koffer und mache Kamprad vom Bett los. Ich spiele mit dem Gedanken, ihn an mich zu binden, uns beiden je ein Ende der Kette um die Taille zu binden. Es würde mir schon gefallen, wie ein Herrchen mit seinem Hund in den Tag hinauszugehen. Oder wie zwei Bergsteiger, die ihr Schicksal an einem Gletscher teilen, stürzt der eine in eine Spalte, stürzt auch der andere ab. Sie bleiben zwischen uns, sagt Ebba zu Kamprad, als wir zum Auto gehen. Sie weiß, was zu tun ist.
Wir fahren los wie eine leicht dysfunktionale Familie. Zwei ältere Brüder vorn. Das Enkelkind hinten. Ich betrachte Kamprad, er hält den Kopf gerade, stolz und unerschütterlich. Seine Stimmung ist zu gut, als wüsste er etwas, was ich nicht weiß. Die ganze Zeit lächelt er ein Nicht-Lächeln. Ich frage mich, ob er sich dem herrlichen Gefühl hingibt, keine Verantwortung mehr zu haben. Er hat keinen Einfluss mehr auf den Gang der Geschichte, das versetzt ihn in Hochstimmung. Ein herrlicher Tag, sagt Kamprad. Ich selbst habe alle Hoffnung verloren. Zum Glück gibt Ebba von hinten Anweisungen, nach links, nach rechts, durch den Kreisverkehr, geradeaus. Sie bittet mich, vor einem Haus zu halten, ich habe keine Ahnung, wer darin wohnt. Hier habe ich sie letztens doch nicht abgesetzt? Ebba springt aus dem Auto, ein paar Minuten später kommt sie mit einer Videokamera in der Hand zurück. Dann fahren wir weiter zu dem Platz, an dem Ebbas Onkel seinen Campingwagen hat. Auf dem Schild steht Sjöstugans Camping. Ein idyllischer Ort an einem zugefrorenen See. Aus einigen offenen Stellen steigt Dampf auf. Wir gehen zu einem schneebedeckten Campingwagen unter einer mächtigen Kiefer. Kamprads Mantel schleift im Schnee. Er hat unten Troddeln wie einige von den Vorhängen, die wir im Laden verkauft haben. Die Ärmel sind so verschlissen, dass sie wie lose Fäden wirken. Hier ist ein Mann, der im Wind flattert. Hoffentlich wird er nicht weggeweht. Ebba holt den Schlüssel heraus und schließt auf. Wie einen Heuballen, den ich zum Trocknen draußen hatte und jetzt im Winter hereinhole, bugsiere ich Kamprad in den Wagen. Der Mann hat immer noch einen Nutzwert.
Sieh einer an!, sagt er, als er drinnen ist. Der Wagen ist bestens ausgestattet, hier gibt es alles, was zu einem angenehmen Urlaubsleben gehört, Betten, Küche, Radio, Reisefernseher, Toilette, Kühlschrank. Den Kühlschrank brauchen wir sicher nicht. Es dürften kaum mehr als zehn oder elf Grad sein. Ich schaue aus dem Fenster, erkenne zwischen den Bäumen ein paar Autos. Zum Glück trage ich einen Hut. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich den Hut zuletzt abgesetzt habe. Wenn ich Marny im Pflegeheim besuchte, nahm ich ihn meistens ab. Du warst schon immer ein echter Gentleman, sagte Marny jedes Mal, wenn ich den Hut für sie abnahm. Ich trage gern einen Hut, mag die Struktur und den Stoff, die schwarze Krempe und wie er sich über meinem Kopf erhebt. Wenn ich mich früher im Spiegel oder Fenster sah, dachte ich: Was für ein wohlproportionierter Mann, sogar der Hut sitzt perfekt! Es ist nicht einfach nur ein Hut, sage ich, wenn jemand fragt, der Hut macht zum Beispiel das Blut dünner, so dass es leichter durch den Körper fließt. Jetzt brauche ich den Hut, ich brauche den Mantel und alle Sachen, die mich
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