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Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)

Titel: Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Grytten
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vorgefallen war, so etwas war vollkommen inakzeptabel, so etwas durfte nicht passieren. Als Marny zum zweiten Mal auftauchte, war es an einem Abend im Oktober. Sie stand vor dem Haus, nass und zitternd vor Kälte, Marny war ein Blatt, das durch den Herbstabend schwebte, es hatte sich von einem Baum gelöst, war Regen und Wind ausgeliefert. Ich holte sie herein, zog sie aus und ging mit ihr zur Dusche. Sie begann zu lächeln, als würde sie sich plötzlich mit Freude an das Duschen erinnern. Ich wusch sie und trocknete ihren weißen Körper ab, ihre Brüste, die jetzt klein und vertrocknet waren, die Beine, dünn und nutzlos. Ich kochte etwas zu essen und servierte ihr ein Glas Wein. So saßen wir da, ich legte Musik auf, die sie einmal gemocht hatte, fragte sie, ob sie mehr Wein wolle. Mehrmals läutete das Telefon, ich wusste, dass es das Pflegeheim war, sie wollten Bescheid sagen, dass Marny verschwunden war, sie wollten wissen, ob sie zu mir gekommen war. Ich nahm nicht ab. Ich wollte Marny bei mir zu Hause haben. Während wir aßen, sagte Marny: Wie gemütlich es bei dir ist . So etwas kann einem Mann den Rest geben, nicht wahr? Wir sahen zusammen fern, saßen auf dem Sofa, bevor ich im Pflegeheim anrief und sagte, sie sei wieder bei mir aufgetaucht. Ob sie so nett sein könnten, vorbeizukommen und meine Frau abzuholen?

Ingvar Kamprad schnarcht und lullt sich in den Schlaf. Ich habe fürchterliche Angst, dass ich ihm den kleinen Finger abschneiden oder womöglich ein Ohr präsentieren muss, damit man mir glaubt. Wie entfernt man Fleisch und Knochen, wenn man von Chirurgie keine Ahnung hat? Was braucht man, wenn man einen Teil des Körpers abtrennen will, der Rest aber weiterleben soll. Es klopft. Ich nehme die Pistole in die Hand. Hallo?, sagt jemand von der anderen Seite der Tür. Kamprad ist aufgewacht. Hallo!, antwortet Kamprad glücklich. Ich zeige mit der Pistole auf ihn und lege den Zeigefinger auf die Lippen. Hallo?, kommt es von draußen. Hallo, ja!, antwortet Kamprad. Ebba?, frage ich und gehe langsam zur Tür. Ich zeige auf Kamprad, um ihm zu signalisieren, dass er die Klappe halten soll. Herein!, brüllt Kamprad. Ich mache auf. Ebba hatte ich bereits aus meinem Gedächtnis gestrichen, jetzt steht sie hell angestrahlt draußen auf dem Gang. Sie wirft mir einen Blick zu, den ich nicht zu deuten vermag. Habe ich Sie geweckt?, fragt sie. Ich schüttle den Kopf, aber wenn ich an mir herunterschaue, muss ich zugeben, dass mein Mantel an die Art Kleidungsstück erinnert, in dem mittellose Männer zu schlafen pflegen. HALLOOOO!, ruft Kamprad von drinnen. Er denkt wohl, er könne sich jetzt alles erlauben. Scheiße, Mann , sagt Ebba, er ist hier! Nein, sage ich und versuche die Tür zu schließen. Er ist hier drinnen, stimmt’s?, sagt sie und kommt näher. Ich mache einen Schritt zur Seite und stelle mich ihr in den Weg. So bleiben wir stehen. Ich spüre ein Zucken im Kopf und muss mich an den Türrahmen lehnen. Geh nach Hause, sage ich zu Ebba. Wenn Sie mich nicht hereinlassen, gehe ich zur Polizei, sagt sie. Es scheint aussichtslos, das Mädchen aufhalten zu wollen, die Glut in dem jungen Körper ist entfacht.
    Drinnen studiert sie Ingvar Kamprad aus nächster Nähe, geht um ihn herum, als wäre er der Lieblingsschimpanse des Tierparks. Sie lächelt. Zum ersten Mal tut mir Ingvar Kamprad wirklich leid. Ebbas Nähe birgt die Chance, die Situation aus seiner Sicht zu sehen. Kamprad hatte vermutlich auf einen Retter gehofft, und nun kommt dieses Mädchen. Was haben Sie mit ihm vor?, fragt Ebba. Ich antworte nicht. Ich weiß es nicht. Ich habe Kamprad wie ein belegtes Brötchen serviert bekommen. Jemand muss die Zeche zahlen, oder etwa nicht? Ja, was haben Sie mit mir vor?, fragt Kamprad. Verbünden die beiden sich jetzt gegen mich? Wollen sie, dass ich ein Blatt Papier aus dem Heft reiße und alles aufschreibe? Ich erkläre ihr, dass ich Kamprad bei der Matstugan gefunden habe. Das ist alles. Es klopft erneut. Was für ein Stress heute Morgen. Herein!, ruft Kamprad. Moment, rufe ich. Herein!, ruft Kamprad erneut. Nein, kommen Sie nicht herein!, rufe ich. Ich höre, wie jemand einen Schlüssel ins Schloss steckt. Es muss das Reinigungspersonal sein. Moment!, rufe ich. Es sieht so aus, als zögerte derjenige draußen. Ich gehe zur Tür und mache auf. Ein Zimmermädchen steht mit seinem Wagen davor, bereit, das Zimmer sauberzumachen. Meine Frau duscht gerade, sage ich, können Sie in einer Stunde wiederkommen?

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