Ein ehrliches Angebot: Roman (German Edition)
umhüllen. Das hier sind die Tage, an denen ich mir die Unterhose schmutzig mache.
Weiß deine Mutter, dass du hier bist?, frage ich Ebba. Meine Mutter weiß genug, antwortet sie. Kamprad hat sich in das obere Etagenbett gelegt. Bald füllen seine Atemzüge den Raum. Aber weiß sie denn, dass du hier bist?, frage ich. Nein. Ebba erzählt, dass ihre Mutter sie Håkan nennt, wenn sie wütend ist. Håkan?, sage ich. Ja, weil ich meinem Vater so ähnlich bin. Das sagen alle, du siehst aus wie Håkan, sagen sie. Dafür hasst mich meine Mutter. Weil du wie Håkan aussiehst? Ja, sie würde Håkan am liebsten vergessen, sie erträgt meinen Anblick nur schwer, weil ich sie an die Zeit erinnere, die sie zusammen mit Håkan verbracht hat. Wie ist Håkan?, frage ich. Phantastisch, sagt sie. Ich lasse mir einen Schnurrbart wachsen, dann sehe ich aus wie er. Ebba lacht und spielt mit ihren Haaren. Ich frage sie, wie ihre Mutter ist. Meine Mutter hat ständig neue Typen, sagt Ebba, und jedes Mal glaubt sie, es ist die große Liebe. Und das ist es nicht?, frage ich. Ebba sagt, die große Liebe findest du nicht bei einem, der Christer heißt. Was ist an Christer so verkehrt?, will ich wissen. Christer ist doch ein Name wie jeder andere. Christer arbeitet bei IKEA, sagt Ebba. Stimmt das? Ja, in Älmhult arbeiten alle bei IKEA. Das weiß ich ja, sage ich. Sie lächelt. War nur ein Scherz! Christer ist Autoverkäufer. Sie haben aber auch gar keinen Humor! Ich lache. Aber Christer ist wie alle anderen, sagt Ebba. Irgendwann verschwindet er, meine Mutter ist monatelang unglücklich, dann ziehen wir weiter.
Hattest du schon einmal einen Freund?, frage ich. Nein, und ich will auch keinen haben, sagt Ebba. Aber wenn du einen hättest?, sage ich. Was dann? Welches Herz würdest du ihm geben?, frage ich. Welches Herz?, sagt sie. Ja, das auf deiner Hand oder das in deiner Brust? Sie gibt keine Antwort. Ich frage sie, was sie machen würde, wenn sie nicht hier wäre. Zuerst antwortet sie nicht, als müsste sie ernsthaft darüber nachdenken. Vielleicht würde ich etwas anzünden, sagt sie schließlich. Etwas anzünden?, frage ich. Ebba lacht. Ich mag sie, wenn sie lacht. Dann öffnet sich ihr Gesicht, bekommt Farbe. Ja, sehen Sie nicht auch gern einem Feuer zu? Es muss ja nichts Großes sein, ein Puppenhaus oder ein Mülleimer oder so. Ebba seufzt. Sie haben wirklich keinen Humor, sagt sie. Dann grinst sie. Ich würde wahrscheinlich für meine Mutter Cola kaufen. Cola? Ja, sie braucht Cola, wenn sie einen Kater hat. Haben Sie vielleicht etwas zu trinken? Zu trinken?, frage ich. Ja, Alkohol?, sagt sie. Ich schüttle den Kopf. Trinkst du?, frage ich. Ja, Sie nicht? Sie fängt an, den Schrank nach Alkohol zu durchsuchen. Ich trinke, seit ich zwölf bin. Trinken ist besser als Schnüffeln, vom Schnüffeln wird man nur träge. Aber ich trinke nie, um mich zu besaufen. Guter Gott. So sind die Jugendlichen heute, denke ich, sie wissen nicht, mit wem sie sich vergleichen sollen, sie versuchen, andere Menschen nachzuahmen, sie versuchen, so viele nachzuahmen, dass sie ganz verwirrt sind. Sie schweigt und betrachtet Kamprad, der wie ein Kind schläft. Was soll er Ihnen sagen?, fragt Ebba und deutet mit dem Kopf auf Kamprad. Ja, was soll er meiner Meinung nach sagen? Ich bin losgebraust, ohne Karten und Tabellen zu studieren, ohne mich um die Wettervorhersagen oder die Arbeitsgeräte zu kümmern, die ein Entführer braucht. Zu welchen Aussagen will ich mein Opfer zwingen? Er, der mein Königreich zum Einsturz gebracht hat, was soll er sagen? Ebba besteht darauf, Kamprad bald zu filmen, noch bevor wir den Wagen ordentlich warm gekriegt haben. Sie befindet sich in jenem Stadium des Lebens, in dem die Dinge nicht schnell genug geschehen können, und damit könnte sie richtig liegen. Ist man nämlich tot und hatte noch große Pläne, hat man zu lange gewartet.
Am Schwarzen Brett im Laden hing eine Ansichtskarte von der Madison Avenue. Die Karte hat mir ein Vertreter geschickt, der in den USA auf einer Messe war. Ich mochte das Bild sehr gern, der Fotograf hatte Möbel aufgestellt, so weit das Auge reicht. Autos waren durch Möbel ersetzt worden. Die Leute saßen auf der Straße und entspannten sich zwischen den Wolkenkratzern. Jahre später stellte ich fest, dass das Foto manipuliert worden war, es war sogar handwerklich schlecht gemacht. Ich konnte nicht begreifen, dass es mir nicht früher aufgefallen war. Ich fühlte mich betrogen, bis mir klar wurde,
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