Ein eisiger Tod - Ein Inspector-Rebus-Roman
da gesagt?«
»Deswegen konnten sie uns kein Foto jüngeren Datums geben. Junkies sind nicht gerade fotogen.«
Der Lord Provost sprang auf. »Wie können Sie es wagen!« Die Touristen sahen interessiert von ihrem Reiseführer auf.
»Dann sagen Sie mir ins Gesicht, dass ich lüge«, forderte Rebus ihn ruhig auf. Der Lord Provost öffnete den Mund und klappte ihn dann wieder zu. »Sagen Sie mir, dass ich lüge, und ich nehme zurück, was ich gesagt habe.«
Cameron Kennedys Augen funkelten im Zwielicht. Er sah sich langsam um, ließ den Blick über die zerschlissenen Standarten gleiten, die schlaff von den Wänden hingen, über den Altar, die Fenster und die Decke. Dann schaute er wieder zu Rebus, schüttelte den Kopf und ging.
Rebus blieb noch ein paar Minuten allein sitzen, die Hände im Schoß verschränkt. Er war nicht gerade stolz auf sich, aber an dieses Gefühl hatte er sich schließlich gewöhnt.
21
Der Kontaktmann von SWEEP beim Scottish Office hieß Rory McAllister, und er willigte ein, sich mit Rebus am folgenden Tag zum Lunch zu treffen; er schlug einen Italiener am oberen Ende des Leith Walk vor.
Als Rebus um halb eins ankam, war McAllister schon
da. Er hatte soeben mit einem eleganten Chromkugelschreiber das Kreuzworträtsel im Scotsman gelöst. Er stand gerade lang genug auf, um Rebus die Hand zu geben. Rebus bemerkte, dass er Mineralwasser trank.
»Halten Sie sich an das Business-Menü«, empfahl McAllister, als ein Kellner ihm eine überformatige Speisekarte reichte. Also hielt sich Rebus an das Business-Menü.
Rory McAllister war ein Enddreißiger mit sorgfältig geschnittenem, sich lichtendem Haar und einem Gesicht, das noch immer Spuren von Babyspeck und Akne aufwies. Er musterte Rebus aus leicht zusammengekniffenen Augen, als bräuchte er eigentlich eine Brille, sei aber zu eitel, um eine zu tragen. Zum dunklen Wollanzug trug er ein dezentes cremefarbenes Hemd und eine eng um den Hals geknotete graue Krawatte.
Jeder Zoll ein Regierungsbeamter, dachte Rebus. McAllisters Stimme war die eines gebildeten Edinburghers: nasal und singend, nicht bereit, irgendwelche Endungen zu verschlucken.
»So, Inspector«, sagte er, während er die Zeitung unter dem Tisch verschwinden ließ, »Ihr Anruf hat mich neugierig gemacht. Was wollen Sie eigentlich wissen?«
»Ich möchte, dass Sie mir etwas über das Scottish Office erzählen, Mr. McAllister. Ich brauche außerdem Informationen über die SDA und Scottish Enterprise.«
»Wissen Sie was?« McAllister fing an, einen grissino auszupacken. »Bestellen wir doch erst, während ich meine Gedanken ordne.« Er sprach den Kellner mit leiser, fester Stimme an. Rebus kannte den Typ: laut nur bei Zustimmung, niemals bei Ablehnung; im Zorn würde sich McAllisters Stimme mit Sicherheit zu einem bloßen Flüstern senken.
»Die Tomatensuppe ist nicht schlecht«, erfuhr Rebus. »Desgleichen das Kalb, aber der pollo ist auch sehr gut. Und was den Wein angeht …« Rebus erklärte sich durch ein
Achselzucken mit jedem Vorschlag einverstanden. »Die Hausmarke, je einen Halben vom Weißen und vom Roten.« Der Beamte klappte die Weinkarte zu - ein weiterer Tagesordnungspunkt, der erfolgreich abgearbeitet worden war. Er winkte zwei Gästen zu, die am anderen Ende des Raums saßen. Ihre Anzüge hatten etwas von einer Uniform. Das Restaurant füllte sich zusehends; die Hälfte der Gäste sah wie gerade dem New St. Andrew’s House entsprungen aus.
»So.« McAllister schlug die Hände zusammen und rieb sie aneinander. »Sie möchten etwas über das Scottish Office erfahren. Schön, soll ich unten oder oben anfangen? Mich haben Sie ja schon kennen gelernt, damit wäre also das Unten erledigt.« Er lächelte, damit Rebus verstand, dass das ein Scherz war. Sammy hatte gesagt, McAllister sei ein Senkrechtstarter, intelligent und engagiert.
Und hilfsbereit.
»Also«, fuhr er fort, »fange ich vielleicht besser oben an - wobei ›oben‹, also die Spitze, natürlich einer von zwei Männern ist, je nachdem, wie man die Sache betrachtet. Man könnte sagen, der Staatsminister für Schottland sei der Chef des Scottish Office, und vom Standpunkt der Öffentlichkeit aus gesehen träfe dies auch zu. Aber Politiker kommen und gehen, das Scottish Office bleibt bestehen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass der eigentliche Chef der ranghöchste Beamte ist?«
»Exakt, und das ist der Staatssekretär, mit vollem Titel Permanent Under-Secretary, gewöhnlich aber schlicht als Permanent
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