Ein EKG fuer Trimmel
Facharzt für Urologie, Facharzt für Chirurgie. Nierentransplantate erhalten am…
Diesmal stoppt Trimmel.
Aber dann, endlich, kann der Operator die Frage formulieren, auf deren Antwort er in erster Linie scharf ist: »Correlate Lachnitz, Becker?«
Becker, Friedrich Wolfram, hat am 20. Juli eine von Lachnitz, Helmut Erwin, angebotene Niere erfolgreich transplantiert, schreibt der Computer.
»Wer war Sachbearbeiter im Computerzentrum bei Vermittlung des Transplantats?« fragt Trimmel, wieder zu ungeduldig, denn die Antwort gehört noch zur Correlate- Antwort und steht schon auf dem Bildschirm:
Sachbearbeiter ABS IL 214: Tennessy.
»Tennessy selbst?« sagt der Mann, der mit dem Computer redet, im höchsten Maße erstaunt.
»Ist das ungewöhnlich?« fragt Trimmel.
»Nun ja, es ist nicht sein Job… eh, gewesen.«
»Wessen denn?«
»Na ja, meiner… Oder ein Kollege…«
»Wär’s unter Umständen Jill Bieglers Job gewesen?«
Der Operator zuckt die Achseln. »Nicht mal…«
»Fragen Sie mal direkt nach Tennessy und Biegler!« fordert Trimmel plötzlich.
»Call Kurzinform Name Tennessy!«
Tennessy Kurzinform. Tennessy, Jacob, 39, Leiter Datenverarbeitung ABS IL 214… Und so weiter.
»Dann Biegler!«
»Call Kurzinform Name Biegler!«
Specify.
»Wieso?« fragt Trimmel.
Aber der Computer sagt’s noch mal: Specify.
»Ja, gibt’s, denn da mehrere?«
Es gibt tatsächlich zwei. Einmal Jill Biegler – die kennen sie schon. Aber dann Sandra Biegler – von der wissen sie weiß Gott noch nichts:
Biegler Kurzinform. Biegler, Sandra, 28, o. Beruf, Schwester von s. d. Biegler, Jill, Leiterin Rechenzentrum ABS IL 214. Dialysepatientin, Anwartschaft Nierentransplantat sehr dringlich, Gewebestruktur – nach Skala Longmore – 23 Strich 14 Strich Berta minus.
Eine kalte Hand greift Trimmel ans Herz: urplötzlich erinnert er sich an ein paar Zahlen und Buchstaben, die er gerade wenn auch nur mit halbem Auge gesehen hat. Ein Würgen im Hals verändert die Stimme: »Fragen Sie sofort noch mal, welche Gewebestruktur die von Lachnitz angebotene Niere hatte, die von Becker verpflanzt worden ist!«
Gewebestruktur – nach Longmore – 23 Strich 14 Strich Berta plus schreibt der Computer, von seinem Operator ordnungsgemäß befragt.
Und Trimmel stöhnt auf. »Danke!«
Dort Berta plus, hier Berta minus. Ein kleines, fast winziges Zeichen – aber sicher ein lebenswichtiger Unterschied. Zumindest Trimmel glaubt das; ein Plus- und ein Minuszeichen poltern ihm wie zwei Steine vom Herzen.
»Ich wußte gar nicht, daß Jill eine kranke Schwester hat«, sagt der Computermann. »Und daß die Schwester bei uns gespeichert ist…«
»Vergessen Sie’s!« sagt Trimmel.
»Aber warum hat Jill nie darüber…«
»Vergessen Sie’s!« wiederholt Trimmel schärfer. Die Kopfschmerzen werden wieder stärker. Etwas versöhnlicher fügt er hinzu: »Euer Johnny ist ja n verdammt guter Zeuge!«
»Ja, das ist er wirklich!« sagt Johnnys Bedienung. »Wollen Sie mal eine Partie Mühle mit ihm spielen?«
»Nee, danke!« sagt Trimmel. Er hat plötzlich ein wahnsinniges Bedürfnis nach frischer Luft. Und ausgerechnet in diesem Zustand bittet ihn eine ABS-Angestellte in den zwanzigsten Stock: der für die Organvergabe zuständige Aufsichtsrat möchte ihn sprechen, sagt sie.
Die fünf Herren sitzen an einem für sie zu großen Konferenztisch, und der stellvertretende Vorsitzende, Staatssekretär a. D. Jabunk, trommelt nervös auf die Platte und sagt: »Ich weiß wirklich nicht, ob das gut ist!«
»Im Grunde«, meint der Oberkirchenrat Dr. D. Jülich, »bin auch ich der Ansicht, daß es nicht unsere Aufgabe sein kann, in diesen Niederungen…«
Scheuerlein jedoch, Vorsitzender und der eigentliche Fachmann des Gremiums, spricht ein erstes Machtwort: »In dieser Hinsicht, Herr Jülich, muß ich Ihnen auf das schärfste widersprechen. Wenn die Polizei hier – wie uns unser Freund Lachnitz sicher nicht ohne Grund mitteilt, wofür wir ihm dankbar sein sollten – , also, wenn die Polizei hier tatsächlich an Hypothesen stricken sollte, die bei aller Absurdität die Fundamente unserer segensreichen Arbeit erschüttern könnten, falls sie jemals an die Öffentlichkeit kämen…«
»Ach was, die Polizei tut hier schlicht und ergreifend ihre Pflicht!« sagt der DGB-Funktionär Grams tapfer. »Unser aller Aufgabe, meine Herren – und ich finde es gut, daß ich unsere Runde aus diesem Anlaß vollständig ansprechen kann – unser aller
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