Ein EKG fuer Trimmel
mußten, daß Sie über kurz oder lang n neues Herz verpflanzt kriegen?«
Der Kopf, ja. Von Herz redet ja keiner mehr, aber der Kopf tut tatsächlich weh. Ganz merkwürdig weh, völlig anders als nach noch so ausgedehnten Abenden im Old Farmsen Inn oder sonstwo. Und dennoch… »Wie weit bist du mit der Patientenliste von Lachnitz?«
Da gibt Höffgen auf. »Halb fertig!« Knirscht mit den Zähnen und wünscht Trimmel die Syphilis an den Hals.
Zweimal in den bisher überprüften Fällen sind die Organe, die Lachnitz frisch verstorbenen Menschen entnommen hat, nach Bonn gekommen, einmal nach Köln. Dreimal sind sie in Hamburg geblieben. Die Spender auf dieser Liste, auf der der Name Bad Wildungen nicht erscheint, waren drei Verkehrstote, ein Herzinfarktopfer, das keinerlei anderweitige körperliche Schäden hatte, zwei Betriebsunfallopfer.
»Hier sind die Namen…«
Trimmel überfliegt sie. »Kannten sie Lachnitz?«
»Nein. Alles ganz einfache Leute. In zwei Fällen haben die Angehörigen ihre Zustimmung tatsächlich erst gegeben, als die Nieren schon entnommen waren; das ist nicht ganz astrein. Einer sagte, es wär ihm entsetzlich schwergefallen – irgendein Sektenmensch. Aber er hatte einen Aufruf in der Zeitung gelesen: Im Tod noch Leben spenden oder so ähnlich. Und da hat er sich sagen müssen, wenn die Nieren seines Bruders auf die Art noch helfen können, dann will er’s im Gebet mit seinem Herrgott persönlich ausmachen…«
Direkt weltbewegend, sagt sich Trimmel, ist’s nicht. »Was ist mit den Empfängern?«
»Ja, das sieht n bißchen anders aus«, sagt Höffgen. »Wennste reich bist, kannste länger leben und kriegst deine Niere wahrscheinlich doch schneller! Ich will mich da nicht festlegen, Chef, aber unter den sechs Fällen, die ich überprüft habe, waren fünf gut betuchte Privatpatienten!«
»Tatsächlich?«
»Ja. Ich hab auf jeden Fall beschlossen, in ne noch bessere Krankenkasse einzutreten!«
»Na gut. Aber war dann wenigstens einer von diesen reichen Empfängern näher mit Lachnitz bekannt? Ehe er krank wurde und zu ihm in Behandlung kam?«
Höffgen schüttelt den Kopf. »Ich wundere mich selber, aber da läuft auch nichts.«
Trotz und alledem aber ist Trimmel schließlich mit dem Tag zufrieden. Sechs weitere Überprüfungen von Lachnitz-Nierenempfängern stehen noch aus; außerdem gibt’s ja immer noch Professor Dr. Dr. Becker in Bad Wildungen. Den Mann, der zwar mit Lachnitz direkt offenbar nichts zu tun hat; aber wenn der als der klassische Verkäufer von Nieren gelten könnte, so wäre er der dazu passende Ankäufer. Sozusagen der passende Deckel auf den Topf… Bei Licht besehen allerdings ist Becker unter dem Strich einstweilen nur dadurch verdächtig, daß er in Trimmels Augen als Exote gilt.
Allmählich aber sollte man diesen Herrn doch mal besuchen, sagt sich Trimmel. Ihm einfach mal auf die Pelle rücken.
»Wie komm ich dahin?«
Höffgen sieht ihn fragend an. »Wieso?«
»Meine Karre ist doch im Eimer…«
»Mein Gott«, sagt Höffgen, »dann nehmen Sie eben ausnahmsweise mal n Dienstwagen! Ist doch auch ne Art Amtshilfe!«
Gegen Mitternacht erst ist Trimmel zu Hause und legt sich auf die Couch. Gaby Montag sagt nach dem ersten Schreck bei seinem Anblick: »Hauptsache, daß du noch lebst!«
»Ja – mit Mühe!« brummt er. Besonders gut nämlich fühlt er sich wirklich nicht; vor allem der Kopf tut in unregelmäßigen Abständen immer noch weh.
Er will jedenfalls gar nicht mal den starken Mann herauskehren, als Gaby ihm Eis auf die Stirn legen will; er hat zufällig einfach nur einen Whisky pur in der Hand, den er neuerdings trinkt, weil’s auf die Dauer besser als große Mengen Bier fürs Herz sein soll oder zumindest nicht ganz so schädlich wie Cognac. Und so nimmt er ihr das Eis einfach weg, bevor sie es in ein Tuch tun kann, und tut’s in den Whisky. Ein für allemal verbindlich nämlich will er rauskriegen, ob’s mit oder ohne Eis besser schmeckt.
6
Am Donnerstag, dem 25. November, geht Jakob Jake Tennessys toter, obduzierter Körper im Krematorium Ohlsdorf in Flammen auf. Die stille Trauerfeier geht zu Ende; Asche zu Asche, Staub zu Staub, und das ABS-Vorstandsmitglied, das eigens zur Einäscherung aus Frankfurt eingeflogen war, schaut verstohlen auf seine bewährte Rolex: Die Mittagsmaschine zurück müßte zu schaffen sein.
Keine Blumen, keine Orgel, keine Trauergemeinde mehr, als die allerletzten Reste Tennessys dann in eine
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