Ein EKG fuer Trimmel
Kopfkissen. Vor dem Bett sitzen zwei Figuren: Edmund Höffgen und Gabriele Montag.
»Tag, Chef!« sagt Höffgen. Er wirkt sehr besorgt, im Moment allerdings auch erleichtert.
»Paul…«, sagt Gaby erstickt.
»Wie kommt ihr… ihr denn in… in den… den Leichenkeller…?«
»Leichenkeller?« sagt Höffgen ratlos.
Er bleibt es, so sehr und so sanft er auch auf den Patienten einredet. Denn Trimmels erstes Aufwachen ist schon zu Ende, Trimmel ist wieder eingeschlafen.
Am späten Abend öffnet er zum zweiten Male die Augen. Diesmal muß Höffgen Gaby anstoßen: Da – er ist wach!
Kommt näher! sagen Trimmels Augen.
Ganz nah, ganz dicht, denn der Patient hat Angst – das erkennt man deutlich. Oder er sorgt sich um irgendwas. »Becker… lebt noch?« flüstert er.
»Natürlich!« sagt Gaby. Sie begreift nichts, außer daß das gequälte Gehirn ruhiggestellt werden muß.
»Gott sei Dank…!« murmelt Trimmel. Er sieht mit weit offenen Augen zur Decke, ist nur vorübergehend beruhigt, quält sich weiter. »Imm… Immunre-ak-tion…«
Die Schwester rennt aus dem Zimmer.
Professor Becker ist wenige Minuten später da. »Was hat er gesagt? Immunreaktion?«
Trimmel hat es verstanden; er versucht mit den Augen deutlich zu machen, daß er nicht nur verstanden, sondern tatsächlich genau das gesagt hat. Und flüstert mühsam: »Niere… angewachsen…?«
»Ja, natürlich!« sagt Becker beruhigend. »Immunreaktion, alles in Ordnung!«
»Guuuut…«, flüsterte Trimmel gedehnt. Die Umstehenden ahnen ein Lächeln. Offenbar unendlich erleichtert taucht er zurück in den Schlaf.
Kopfschüttelnd sagt Becker: »Wieso er da auf die Immunreaktion kommt… beziehungsweise, welche angewachsene Niere er da wohl meint…?«
Höffgen glaubt zwar inzwischen, daß er ihm in dieser Hinsicht einen Tip geben könnte, falls er es echt nicht wissen sollte. Aber Höffgen hütet sich – denn gerade daraus will er ja selbst noch Honig saugen! Laß Trimmel nur erst mal über den Berg sein! denkt er.
Gaby und Höffgen mieten sich inzwischen doch im Kurhessischen Hof ein und wechseln sich ab mit der Wache bei Trimmel. Zweimal an diesem Sonntag sieht der Oberarzt von Professor Linds nach dem Rechten, gegen Abend Linds selbst, und zwischendurch kümmert sich auch Becker um den Patienten. Trimmel schläft, wird wach, schläft wieder ein, wird wieder wach, und man muß schon sehr genau hinsehen, wenn man erkennen will, daß der Hintergrund seiner Augen ganz allmählich klarer wird.
»Ein natürlicher Zustand!« sagt der Oberarzt von Professor Linds. »Es wird noch Wochen, wenn nicht Monate so sein.«
Hin und wieder scheint es zu gelingen, Trimmel das Fragment einer Nachricht zu übermitteln. »Ich soll Sie grüßen, von Laumen und dem Präsidenten…«
»Gleichfalls«, murmelte Trimmel, scheinbar zahnlos. Und immer wieder murmelte er Satzfetzen, in denen ›Nieren‹ und ›Gewebe‹, ›Becker‹ und ›Biegler‹ vorkommen.
Höffgen ruft am Montagfrüh schließlich in Hamburg an, auftragsgemäß den Präsidenten persönlich. »Ich könnte jetzt zwar zurückkommen; er hat nach menschlichem Ermessen das Schlimmste hinter sich und wird gut versorgt…«
»Aber?«
»Nun ja«, sagt Höffgen, »ich glaub, ich komm mehr und mehr dahinter, was er wirklich in Bad Wildungen wollte. Es ist alles noch ziemlich diffus, aber gerade deshalb möcht ich gern noch einige Ermittlungen tätigen und Professor Becker vernehmen, wenn Sie einverstanden sind.«
»Gut, tun Sie’s«, entscheidet der Präsident zögernd, »aber ich sag’s Ihnen nochmals – seien Sie auf jeden Fall behutsam, der Mann ist wirklich prominent!« Besonders wohl ist ihm dabei nicht in seiner Haut: er hat sich inzwischen doch etwas intensiver mit dem Fall vertraut gemacht und dennoch nach wie vor nicht ganz begriffen, was – außer einer vielleicht schon in Hamburg manifesten intellektuellen Verwirrung – den Leiter der Ständigen Mordkommission nach Bad Wildungen getrieben haben kann. Und jetzt spielt sich auch noch der Beamte Höffgen als Orakel auf… also, können geistige Verwirrungen etwa ansteckend sein? fragt sich Hamburgs Polizeioberhaupt. »Auf Ehre und Gewissen, verdächtigen Sie Professor Becker etwa, mit dieser Mordsache…«
»Tennessy!« erinnert Höffgen.
»… mit der Mordsache Tennessy unmittelbar zu tun zu haben?« fragt der Präsident.
»So kann man das wohl nicht sagen…«, sagt Höffgen reichlich unbestimmt.
Aber der Präsident – er galt
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