Ein EKG fuer Trimmel
müssen Geduld haben«, sagt er väterlich zu Gaby, die, nachdem Höffgen weggefahren ist, die Stellung am Krankenbett hält, »dafür kriegen Sie dann einen ganz neuen Mann!«
»Danke, Herr Professor!« sagt Gaby. Mehr als ihren alten Mann will sie eigentlich gar nicht haben.
»Nächste Woche«, sagt der Professor, »können wir ihn nach Hamburg bringen, glaube ich.«
»Mit dem Auto?«
Er sieht sie skeptisch an. »Ich glaube, da mach ich lieber einen Hubschrauber locker. Der Grenzschutz freut sich, wenn er auch mal was Vernünftiges tun kann…«
Ein Major sieht sich dann das Problem an Ort und Stelle an und gibt nach Rücksprache mit seiner vorgesetzten Dienststelle das Okay.
Ein Sikorski. Er landet auf dem Platz hinter der Klinik, der als Landeplatz vorgesehen ist, und stellt seine Rotoren ab. Trimmel hat ein Medikament bekommen; er wird den Flug verschlafen. Zum Abschied finden sich drei Professoren und eine Menge Personal ein. Gaby darf mitfliegen.
Sie soll vorsichtig sein, hat Höffgen gesagt, wenn immer sie mit Becker zu tun hat. Jetzt hat sie mit ihm zu tun, gibt ihm lange die Hand und hat irgendwie wahnsinnige Angst, sie wieder loszulassen. »Ich danke Ihnen für alles«, sagt sie gepreßt. »Sie hören von uns…«
»Ja, das kann ich mir denken!« sagt Becker, wieder äußerst sarkastisch.
Hätte ich den Mann sterben lassen sollen? Die Frage dreht sich in seinem Kopf mittlerweile fast ununterbrochen. Er legt schützend die Hand auf den kahlen Kopf, als der Luftzug der Rotorblätter ihn streift. Mit der anderen Hand winkt er durch den schrecklichen Lärm. Nein, auf gar keinen Fall… ich hatte KEINE Alternative!
Der Hubschrauber dreht ab nach Nordnordwest und verschwindet im Dezemberhimmel, der noch grauer ist als der Himmel im November. Aber in Bad Wildungen bleibt die Angst zurück, die er eingeschleppt hat wie einen Virus.
»Ich bin müde«, sagt Becker zu seinem Oberarzt Professor Meyers. »Sie können mich zu Hause erreichen!«
12
Höffgen ist, seit er wieder in Hamburg ist, der einzige, der den verwickelten Fall Tennessy noch halbwegs übersehen kann. Das Interesse an der Sache flaut übrigens von Tag zu Tag mehr ab, sogar im eigenen Haus, und es flammt für längere Zeit nur noch ein einziges Mal auf. Dann nämlich, als sich wenige Tage nach Trimmels Heimkehr – wie der Präsident den Hubschraubertransport euphemistisch nannte – die Fahndung nach Jill Biegler auf dramatische Weise von selbst erledigt.
Erstens, Schwarz aus Bad Wildungen ruft an und teilt erregt mit, Professor Becker habe sich und seine Frau Charlotte umgebracht – dies sei nun wirklich, mehr als alles andere zuvor, Stadtgespräch. »Mit ner Art Goldenem Schuß – stellen Sie sich so was vor! Erst hat er ihr eine tödliche Dosis Heroin injiziert, dann sich selbst. Er zumindest hat dann zwar noch gelebt, als die Haushälterin sie fand, es war jedoch nichts mehr zu machen…«
»Um Gottes willen… Hat er was hinterlassen?«
»Ja, einen Brief, aber den hat die Staatsanwaltschaft konfisziert. Muß so was drinstehen wie, Charlotte und er seien diesen ganzen Schmutz samt dem Leben leid… So ähnlich hatte er’s auch Meyers gesagt, den kennen Sie ja…«
Zweitens, bevor Höffgen noch darüber nachgrübeln kann, ob und wie weit auch er für Beckers Ende mitverantwortlich ist, erscheint, wirklich nur Stunden später, zur maßlosen Überraschung aller Anwesenden freiwillig Jill Biegler bei der Mordkommission, begleitet von einem früher wohl mal sehr hübschen Mädchen, das unheimlich mager und äußerst hinfällig und krank aussieht – ihrer Schwester Sandra!
»Ich hab gehört, Sie suchen uns?« sagt Jill, geradezu verdächtig friedlich.
»Ja, wir haben Sie gesucht«, sagt Höffgen. »Ganz dringend sogar. Aber inzwischen…« Als hätt sie’s gerochen, denkt er, daß durch Beckers Selbstmord und sein damit verbundenes indirektes Schuldeingeständnis der Verdacht gegen sie sehr viel leichter geworden ist…
Jill Biegler gibt zu Protokoll, sie habe Sandra am vorvergangenen Freitag nach der Dialyse in Eppendorf abgeholt und sei, nachdem sie nach all diesen Aufregungen bei ABS kurzfristig Urlaub beantragt und bekommen habe, anschließend mit ihr nach Malente gefahren, um eine Woche auszuspannen. Heute sei sie zurückgekehrt, weil morgen früh die nächste Dialyse fällig ist, und dabei habe sie von den abstrusen Verdächtigungen gehört und sei mit Sandra (die im übrigen bis dahin kein Wort gesagt hat und
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