Ein EKG fuer Trimmel
er habe offenbar überhaupt keine lebenden Verwandten gehabt.
»Dann kann man ja nichts machen«, sagt Schilling, und der Fall war für ihn erledigt.
Wieder eine Spur, die im Nichts endet.
Im Krankenhaus Eppendorf erzählt Trimmel immer noch halbe, unverständliche Geschichten von Becker und Biegler. Die Namen ähneln sich in seiner verwaschenen Sprache derart, daß Höffgen sie manchmal kaum auseinanderhalten kann. Eines Nachmittags aber, zwei Tage nach Neujahr, argwöhnt Höffgen nach hundertsten und aberhundertstenundertsten Becker, Trimmels Verwirrung könne inzwischen vielleicht doch nur eine Pseudoverwirrung sein – irgendeine Mechanik also könne in dem zwar noch gestörten, aber neuerlich rastlos tätigen Hirn unter Umständen wieder ausgesprochen sinnvoll funktionieren.
Er fährt zum Computerzentrum, in dem ein neuer Chef – ein gewisser Wendisch, tatsächlich von außerhalb nach Hamburg geschickt – und zudem wieder Ruhe herrscht. Der Chef ist nicht da, und Höffgen macht Jill seine Aufwartung.
»Na«, sagt er, »bisher nichts nachgekommen?«
»Wieso?« fragt sie.
»Von wegen Begünstigung zum Beispiel. Ihrem Freund Bertie haben Sie ja immerhin Nahrung und Unterkunft gewährt, von anderen Gewährungen nicht zu reden…«
»Man hat mir nicht Bertiesen können, daß ich von Berties sogenannten Delikten gewußt habe«, sagt sie, »insofern ist es subjektiv auch keine Begünstigung!« Sie hat sich offenbar bei einem Anwalt kundig gemacht, wie es so schön heißt. »Sind Sie deshalb hergekommen?«
»Teils, teils. Ich wollt Sie mal wiedersehen.«
»Dann haben Sie ja Ihr Ziel erreicht und…«
»Langsam, langsam!« sagt er. »War doch bloß n Scherz. Können wir Ihren Computer nicht noch mal was über diesen Komplex Professor Becker fragen?«
»Also, das ist ja ganz was Neues!«
Aber dann spielen sie doch noch mal mit dem Zeugen Johnny alias Star von Hamburg alias ABS IL 214.
Höffgen bringt tatsächlich in Erfahrung, daß die drei Millionäre mit den neuen Nieren zum jeweiligen Zeitpunkt keineswegs an erster Stelle der Dringlichkeit standen, was die Vergabe geeigneter Transplantate anbelangte, sondern an vierter, siebter und – im Fall Arno Schilling – sogar erst an zwölfter Stelle der im Computer gespeicherten Falle. Irgend etwas Neues spuckt die Maschine letztlich doch immer aus. »Haben Sie das gewußt, Fräulein Biegler?«
»Nein…« Sie wirkt etwas unsicher. »Das heißt, entscheidend sind hier doch nicht die Rangordnungen, sondern die Gewebedaten! Meinen Sie, daß Sie das eines Tages doch noch mal begreifen?«
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, sagt Höffgen ahnungsvoll und düster, »da könnt ihr alle sonstwas sagen. Ich glaub immer noch, daß bei alledem einzig und allein eins entscheidend war. Daß es sich nämlich erstens um Patienten von Becker handelte, und daß der zweitens von allen das meiste Geld zahlte, dafür, daß seine Leute bevorzugt wurden!«
Abends hockt er seit längerem wieder mal in Trimmels Büro mit seinen Mitstreitern Petersen und Laumen zusammen und studiert fast unverständliche Computerprotokolle.
»Ich will ja nicht meckern«, sagt Laumen, »aber nach meiner Meinung habt ihr dieses Computermonstrum bisher wirklich nur als besseren Karteikasten benutzt. Dabei hat der doch sicher mehr drauf…«
»Und was nun wieder?« fragt Höffgen.
»Na, hier. Sandra Biegler. Von der redet ja komischerweise kaum noch jemand. Steht an dritter Stelle auf der Liste, auf der der sogenannte Millionär Seidenfaden erst die Nummer sieben ist. Seidenfaden hat aber die Niere gekriegt, und das ist doch der Beweis, hinter dem du her bist!«
»Zeig mal her!« Natürlich stimmt’s nicht, erkennt Höffgen auf den ersten Blick, wenigstens in der Form. Die Niere, die Seidenfaden bekommen hat, hatte die Gewebestruktur (nach Longmore) 23 Strich 14 Berta plus. Sandra Biegler hatte (nach Longmore) dasselbe bis auf Berta minus. »Das hab ich damals schon mit Trimmel überprüft. Das muß identisch sein, anders geht’s nicht!«
»Effektiv identisch?« fragt Petersen, der bisher den Mund noch gar nicht aufgemacht hat.
»Ja, wieso…?«
Und dann dämmert’s. Endlich dämmert’s. Höffgen greift zum Telefon. Und hat Glück: Trimmels Freund Dr. Lippmann ist zu Hause und gleich am Apparat.
»Guten Abend, Herr Doktor Lippmann – Höffgen hier, vom Büro von… ah ja. Wie’s Herrn Trimmel geht? Danke, den Umständen entsprechend… Doch, ich glaub schon, daß Sie ihn
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