Ein EKG fuer Trimmel
sehr reale im Gegenlicht. Bertie und Jill – sie erwidert seinen Begrüßungskuß ziemlich widerwillig – stehen zwischen ihm und der Sonne. Er macht Höffgen hinter dem Rücken der beiden heftig Zeichen – und Gott sei Dank, die beiden begreifen, was er meint! Die beiden begreifen, daß sich das Wunder, auf das nur Höffgen zu hoffen wagte, viel schneller als erwartet tatsächlich ereignet…
»Wie läuft’s denn so im Knast?« fragt Jill. »Ich hab schon nach der ersten halben Stunde hier die Nase voll – ich brauch gleich erst mal n Campari…«
Und dann reden und reden sie, und niemand geht dazwischen, und niemand hört hin. Petersen nämlich schleicht auf der Suche nach dem noch besseren Gegenlicht wie eine Katze durchs Zimmer, und mit einemmal hat er die Stelle. Er steht, etwas schräger als zuvor, hinter den beiden, und er erkundigt sich ebenso beiläufig wie überraschend: »Was hatten Sie eigentlich an dem Tag, an dem Tennessy erschossen wurde, für eine Jacke an, Fräulein Biegler?«
»Gar keine«, sagt Jill prompt. »Ich war ja im Bett…«
»Aber später an diesem Totensonntag waren Sie doch noch im Büro. Was hatten Sie denn da an?«
»Mein blaues Kostüm«, sagt sie ahnungslos.
»Ach, richtig«, sagt Petersen, »ich erinnere mich. Ja, dann wollen wir uns hier mal für ne Stunde vertagen…«
Petersen führt Regie. Er fordert eine Kollegin mit Konfektionsgröße 38 und einer blauen Kostümjacke an. Anschließend telefoniert er mit dem Hochhaus Fontenay und kriegt nach einigem Hin und Her die Privatnummer des Portiers, der keine Erschossenen sehen kann und dann ausgerechnet am Todestag von Tennessy Dienst hatte. Und erreicht den Mann und duldet keine Widerrede, als er ihm befiehlt, sofort ins Hochhaus zu kommen und in der Halle zu warten. Zur gleichen Zeit wird Jill Biegler, von einer zweiten Beamtin bewacht, in einem abgelegenen Raum deponiert.
Höffgen fährt dann, mit Jills Einverständnis, den VW; andernfalls, hat er gesagt, würde er eine richterliche Verfügung besorgen. Auf dem Rücksitz sitzen Laumen und Bertie, mit einer Handfessel verbunden. Der Streifenwagen mit der Nummer 537 befördert die Kollegin mit der blauen Jacke und Peterson und gibt der Expedition auf dem Weg zum Hochhaus Fontenay den nötigen Flankenschutz.
Die Wagen parken hundert Meter vor dem Hochhaus. Dann aber alles streng der Reihe nach:
Erstens, der inzwischen im Hochhaus eingetroffene Pförtner wird in der Halle von Petersen so hingesetzt, daß er zunächst nicht auf die Straße gucken kann. Höffgen paßt auf ihn auf – und niemand soll sagen, es handele sich hier um den leichtesten aller Jobs.
Zweitens, Laumen und Bertie und zur Sicherheit die Besatzung des Streifenwagens fahren, ungesehen am Portier vorbei, mit dem Lift in die Tiefgarage. Dort löst Laumen die Fessel, und Bertie reibt sich das Gelenk. Dann überläßt Laumen seinen Gefangenen mit Petersens genauen Regieanweisungen den uniformierten Kollegen und begibt sich zu dem draußen wartenden VW mit der Kollegin in der blauen Jacke.
Drittens, der Portier in der Halle wird zur gläsernen Außenfront geholt. »Wo stehen Sie normalerweise, wenn Sie die Wagen beobachten, die in die Garage fahren oder wieder rauskommen?«
»Hier!« sagt der Portier und marschiert an eine Stelle neben der Drehtür.
»Haben Sie da auch am Totensonntag gestanden?«
»Ja, genau hier!« bestätigt er.
»Schön. Dann gucken Sie nach draußen und sagen mir, was da gleich passiert…«
Die Kriminalbeamtin mit der blauen Kostümjacke hat sich an das Steuer des Volkswagens gesetzt und fährt – auf ein Signal von Petersen hin – etwas ruckend von der Straße in die Tiefgarage. Daß Laumen zwischen den Vordersitzen und der hinteren Bank platt auf dem Boden liegt, sieht man nicht.
»Na, was haben Sie gesehen?« fragt Petersen, als der Wagen in der Garage verschwunden ist.
»Fräulein Bieglers Auto«, sagt der Portier verwundert.
»Und wer saß drin?«
»Fräulein Biegler selbst natürlich!«
»Allein?«
»Ja, sicher«, sagt der Mann ärgerlich, »das haben Sie doch genauso gesehen! Was soll das Ganze eigentlich?«
»Moment, Moment…«
Petersen, Höffgen und der Portier hören zunächst das Motorengeräusch aus der rechts vom Eingang liegenden Garagenausfahrt. Gleich darauf erscheint der Volkswagen, aus der Tiefgarage kommend, wieder auf der Straße und biegt nach rechts ab. Die Person, die mit der blauen Jacke, läßt den Wagen ausrollen; die Bremslichter
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