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Ein Elefant im Mückenland

Titel: Ein Elefant im Mückenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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späteren Russland unter-wegs gewesen war, auf dem Boden ihres Koffers alte Zeitungen mit sich herumgeschleppt, die Reportagen und Fotos vom Suomi-Zirkus in seinen besten Tagen enthielten. Darunter waren auch eine Aufnahme von Elefantenmutter Pepita sowie mehrere von Emilia und Lucia im Großen Moskauer Zirkus. Diese Fotos und Berichte rahmte Lucia nun ein und schmückte damit die Wände ihres Zimmers. Igors Foto blieb vorläufig ungerahmt.
    Lucia trug gern einen ledernen schwarzen Hosenan-zug. Der war nicht nur sexy, sondern zugleich auch sehr praktisch: Er nahm die Elefantengerüche nicht an, war haltbar und auch wasserabweisend – enorm wichtig bei den herbstlichen und winterlichen Regenfällen –, und er schützte gegen den Wind.
    Den Fußboden ihres Zimmers bedeckte Lucia mit wei-chen Fellen, die sie sich aus dem Kaukasus bestellte. Sie hatte noch Beziehungen nach dort, und jetzt, da Russlands Post und Eisenbahn wieder funktionierten, konnte sie diese und jene Tauschware hinschicken. Zum Beispiel waren dort finnische Werkzeuge wie Äxte und Spaten sehr gefragt. Im Kaukasus erinnerte man sich noch gut an die schöne Lucia und die gutmütige Emilia.
    An die Decke ließ sich Lucia von Taisto ein paar star-ke Haken schrauben, an denen sie eine Schaukel befes-tigte. Es tat gut, an Seilen zu hängen, dabei die Augen zu schließen und vom Großen Moskauer Zirkus zu träumen, von der gewaltigen Geräuschkulisse des Publi-kums und den Orchesterklängen, in die sich das Gewie-her der Pferde, das Gebrüll der Löwen und das Trompe-ten der Elefanten mischten.
    Im November fiel der erste Schneeregen, und auch sonst wirkte die ganze Gegend schmutzig grau und nass. Lucias Stimmung war jedoch heiter, und als es auf Weihnachten zuging, schneite es zum ersten Mal, die weiten Felder von Satakunta lagen unter einer wei-chen, weißen Decke. In den Fenstern wurden Kerzen entzündet. Finnland bereitete sich auf den Winter vor: auf Schnee, Frost und eisigen Wind. Lucia kaufte sich von ihrem Lohn als Ladengehilfin einen warmen Lamm-fellmantel, der wunderbar zu ihrem schwarzen Lederan-zug passte.
    Mitte Dezember kam überraschend Laila Länsiö zu Besuch. Die Begegnung der beiden Frauen war herzlich, sie tauschten Erinnerungen an den Sommer auf Länsiös Hof aus. Lucia zeigte der Freundin die Glasfabrik. Das war natürlich ein weitaus besseres Elefantenquartier als der Hühnerstall mit dem ständigen Gegackere und dem Gestank nach Hühnerkot. Wie es heißt, haben Elefanten ein gutes Gedächtnis, sie vergessen nie – weder schlech-te Behandlung noch Güte, die sie erlebt haben. Wie dem auch sei. Emilia erkannte Laila jedenfalls sofort. Sie brummte erfreut, schlang ihren gewaltigen Rüssel um die Schultern der Bäuerin, zog sie an sich und hob sie sogar ein wenig hoch. Die Geste war kraftvoll und sanft zugleich, der Rüssel drückte nicht zu stark, sondern war warm und sicher. Laila kraulte und tätschelte Emilias dicke Haut.
    Im Lager der Glasfabrik hatte Emilia, als neugieriges Weibchen, einen vergessenen Posten von mehr als tau-send Nachttöpfen gefunden. Zum Zeitvertreib begann sie diese Überbleibsel aus der Zarenzeit nach eigenem Gutdünken zu gruppieren. Mit ihrem sensiblen Rüssel sortierte sie jene Nachtöpfe, die keinen Henkel hatten, in eine eigene Gruppe, an anderer Stelle baute sie die auf, deren Ränder eingerissen waren, dann musterte sie ihr Werk ganz so, wie es Künstler zu tun pflegen. Sie baute die Gruppen dreimal an drei verschiedenen Orten auf und erwartete wie eine Künstlerin Beifall.
    Die beiden Frauen machten mit Emilia einen Spazier-gang. Es war Nachmittag, sie gingen zu dem mehrere Kilometer entfernten Wald. Im Schnee blieben die gro-ßen Elefantenspuren und, winzig daneben, die Schu-habdrücke der Frauen zurück. Lucia und Laila rieben Emilias Bauch und Flanken mit Schnee ab. Das gefiel ihr so gut, dass sie sich gleich darauf selbst im Schnee wälzte. Auf dem Rückweg erkundigte sich Lucia, wie es Laila mit Oskari ergangen war.
    »Immer dasselbe. Mehrmals in der Woche verzieht er sich in den Hühnerstall und sitzt dort allein, oder viel-mehr mit tausend Hühnern, irgendwann in der Nacht kommt er dann wieder raus, stolpert über den Hof, fällt drinnen vollständig bekleidet aufs Sofa und schläft ein.«
    »Da hast du ja einiges auszuhalten.« Gemeinsam streuten sie trockenes und sauberes
    Stroh für Emilia aus und gaben ihr die abendliche Mahlzeit, Kartoffeln, Möhren, weiße Rüben und mehrere Arm voll Heu.

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