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Ein Elefant im Mückenland

Titel: Ein Elefant im Mückenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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Zum Abschluss des Spazierganges und zum Hinunterspülen der Mahlzeit saugte Emilia zehn Minuten lang Wasser aus dem Schlauch.
    Die Frauen gingen zu Fuß zum Laden zurück. Sie hatten jede Menge Gesprächsstoff. Zuerst tauschten sie Erinnerungen an den gemeinsamen Sommer und die nächtliche Flucht aus, dann vertrauten sie einander an und erzählten sich gegenseitig die wichtigsten Ereignisse aus ihrer Kindheit und Jugend, derer es eine ganze Menge gab. Und zum Schluss planten sie eine gemein-same vorweihnachtliche Feier. Sie kamen auf die Idee, Emilia mit farbigen Überwürfen und Stoffstreifen zum Weihnachtselefanten herauszuputzen und mit ihr zur Schule des benachbarten Dorfes zu reiten, dort würden sie Unmengen von Kerzen und Wunderkerzen entzün-den und so ein ganz besonderes Weihnachtsfest für das ganze Dorf und die Bewohner der Nachbardörfer, vor allem aber für die Schulkinder veranstalten. Lucia gefiel der Gedanke, und sie sagte, Emilia trete nicht zum ersten Mal auf einem Fest auf. Sie beherrsche Dutzende wunderbarer Kunststücke und genieße es, wenn die Menschen sie bewunderten.
    Eifrig begannen die beiden mit der Organisation, ganz wie kleine Mädchen. Sie verschickten Einladungen in die benachbarten Dörfer und bekamen begeisterte Antwor-ten zurück: Klassen aus mehreren Dorfschulen sagten sich an, sie wollten kommen, um sich um den Weih-nachtsbaum zu versammeln, alte Weihnachtslieder zu singen und besonders, um den geputzten Weihnachts-elefanten zu bewundern. Die beiden Frauen nähten für Emilia aus rotem Stoff eine riesige Decke, die sie mit gelben Kanten verzierten, an jede Ecke kamen goldfar-bene Glöckchen. Auf Emilias Rücken und an ihren Flanken befestigten sie kleine Gefäße mit Kerzen darin. Dann stülpten sie ihr noch eine riesige Krone auf den Kopf, in deren Mitte sie zehn große Kerzen entzündeten.
    All das war natürlich ein wenig kindisch, aber sowohl Laila als auch Lucia hatten in den letzten zehn, fünf-zehn Jahren recht traurige Weihnachten gehabt. Lucia war in der Fremde gewesen, und Laila hatte das Fest als einsame und verlassene Ehefrau im Haus ihres Mannes verbringen müssen, der ein immer elenderer Säufer geworden war. Es war schon viel gewesen, wenn er überhaupt an der gemeinsamen Tafel erschienen war, um ein Stück gebratenes Huhn zu verzehren. Beide Frauen hatten seit langem kein einziges Weihnachtsge-schenk mehr bekommen. Aber jetzt wurde zünftig gefei-ert, und der Mittelpunkt auf dem Schulhof war die fröhlich trompetende Emilia. Hunderte von Menschen hatten sich versammelt, hauptsächlich Schulklassen mit ihren Lehrern. Alle waren bester Stimmung.
    Kaufmann Taisto Ojanperä grillte am Rande des Sportplatzes Würste, die Rauno Ruuhinen gebracht und die die Fleisch verarbeitende Fabrik von Satakunta spendiert hatte. Rauno war letztlich ein anständiger Mann und hatte auch für lebende Elefanten ein Herz.
    Viele Kinder wollten auf Emilias Rücken klettern, an-dere fuhren Schlitten, und jedes bekam ein kleines Geschenk. Die Erwachsenen labten sich am heißen Glögg, sie sangen Weihnachtslieder und tanzten um die auf dem Hof errichtete Fichte. Emilia machte ein paar Tanzschritte im Takt der Lieder. Die Jungen formten Schneebälle und tobten unter schallendem Gelächter im Wald hinter dem Sportplatz umher. Erst spät am Abend endete die Weihnachtsfeier, zum Abschluss begleitete die hundertköpfige Gästeschar den geschmückten und festlich beleuchteten Elefanten ein gutes Stück in Rich-tung Glasfabrik.
    Als Lucia und Laila später am weißen Bethaus vor-beikamen, erzählte Laila, dass das Haus seinerzeit aus den Balken der alten Kirche von Nakkila errichtet wor-den war. Die Fenster, Türen, Bänke und übrigen Ein-richtungsgegenstände stammten ebenfalls aus der alten Kirche, die 1937 abgerissen worden war.
    Sie berichtete weiter, dass der Großvater des heutigen konservativen Politikers Ilkka Suominen, Fabrikant J.W. Suominen, einst anlässlich seines sechzigsten Ge-burtstages der Gemeinde das Geld für den Bau einer neuen Kirche geschenkt hatte. Bedauerlicherweise war der Mäzen bald darauf gestorben, doch trotzdem war Ende der 1930er Jahre die neue Kirche gebaut und aus den Balken der alten Kirche hier in Hormistonmäki ein Bethaus errichtet worden. Lucia staunte, dass ein priva-ter Geschäftsmann seiner Gemeinde eine ganze Kirche schenkte.
    »Hier in Satakunta ist man eben gern freigebig«, er-klärte Laila. Das Bethaus war dann weniger als Kapelle, denn vielmehr als

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