Ein Elefant im Mückenland
in Umlauf, dass Bauer Paavo mit der Zirkusprimadonna auf dem Elefan-tenrücken eine Liebesreise durch Finnland antreten wollte. Viel Zeit blieb allerdings nicht, denn der Sattel sollte bereits in drei Wochen fertig sein. Es war eine anspruchsvolle Arbeit, sie beinhaltete Entwurf und Fertigung sowie Probereiten. Eljas war ein sehr betagter Mann, aber er betonte, dass man sich auf ihn verlassen könne, er werde das Gewünschte liefern. Er rühmte sich damit, dass er einmal einen Schaukelstuhl in zwei Ta-gen gebaut hatte, und davon war noch die meiste Zeit fürs Trocknen der Kufen draufgegangen.
Lucia amüsierte sich. Die Kufen eines Schaukelstuhls trockneten garantiert nicht in zwei Tagen, sie war schließlich auf dem Lande groß geworden und wusste Bescheid, also dürfte sich der Meister da wohl geirrt haben.
Eljas gab zu, dass frische Birke nicht ganz so schnell trocknete, aber für den besagten Schaukelstuhl hatte er Wacholder genommen, und das ist von Natur her ein trockenes Holz. Der Stuhl zeichnete sich im Übrigen auch dadurch aus, dass er beim Schaukeln besonders elastisch war, und die Kufen konnte man zwischen-durch noch als Flitzbögen benutzen. Er hatte selbst einmal mit seinem Schaukelstuhl innerhalb eines Tages einen ganzen Sack voll Haselhühner erlegt. Immer zwei Vögel auf einmal, da es ja zwei Bögen waren.
Emilia ließ sich brav von Eljas Maß nehmen. Der Alte krabbelte behände mit dem Bandmaß über den Rücken des Tieres und rief die Angaben nach unten, wo Kauf-mann Taisto Ojanperä sie auf den leer gebliebenen Seiten eines alten Rechnungsbuches notierte. Als alles erledigt war, fuhr Taisto den Meister wieder ins Alten-heim, wo dieser sich sofort an den Entwurf machte. Noch während der Kaufmann da war, erschien die Leite-rin des Hauses und wollte wissen, wo Eljas den ganzen Nachmittag gewesen sei, nicht mal zum Essen sei er erschienen. Darauf sagte Eljas, dass er um drei Wochen Sommerurlaub bitte, er habe einen lukrativen Auftrag bekommen. Anschließend fragte er Taisto, ob er die nächsten drei Wochen bei ihm wohnen und ob Taisto ihm abends im Schulkeller bei der Arbeit zur Hand gehen könnte. Sie wurden sich einig. Taisto empfand es als große Ehre und einzigartige Gelegenheit, einem Meistertischler aus Nakkila helfen zu dürfen.
Ende Mai planten Paavo und Lucia die genaue Stre-cke und die anderen Einzelheiten. Dazu bedurfte es freilich etlicher Treffen im Büro der Glasfabrik. Paavo hatte einen dicken Stapel mit Landkarten dabei, er hatte sie zu Hause genau studiert und schlug Lucia eine Strecke vor, die an dem bereits bekannten See beginnen würde. Von dort ginge es nach Norden, und zwar über Sääksjärvi, Nokia und Tampere in die Gegend um Heinola.
»In Häme müssen wir uns dann entscheiden, ob wir Tampere nördlich oder südlich umwandern.«
Von Kangasala aus sollte es dann durch die Wälder nördlich von Heinola in Lucias Heimatgemeinde Lemi gehen.
»Herrlich, so komme ich nach Jahren wieder mal in mein Elternhaus. Schade nur, dass dort niemand mehr wohnt, ich bin Waise. Mein Vater starb, als ich noch ganz klein war, meine Mutter vor drei Jahren.«
Von Lemi aus wäre es schließlich nur noch eine kurze Reststrecke nach Luumäki und Lappeenranta, oder besser gesagt, zur Schleuse von Mustola, wo sich der erste finnische Hafen im Saimaa-Kanal befand.
»Dort geht es für Emilia dann ab aufs Schiff und mit dem Rüssel voran ins wilde Afrika!«, freute sich Paavo und wartete gespannt, ob Lucia seinen Streckenplan akzeptieren würde. Sie fand ihn ausgezeichnet, wollte aber gern wissen, wie lange der Elefantenmarsch dauern würde und wie weit es insgesamt von Satakunta nach Karjala war.
Paavo breitete die Karte auf dem Tisch des Büros aus. Lucia befeuchtete einen dünnen Wollfaden und führte ihn in Schlangenlinien über die Strecke, die Paavo vor-geschlagen hatte. Bei Lappeenranta schnitt sie das Ende ab und zog den Faden dann neben dem Maßstab der Karte gerade, so bekamen sie eine ziemlich genaue Zahl: dreihundertneunzig Kilometer. Sie rechneten noch dreißig Prozent für kleinere Umwege hinzu und kamen so auf ein Endergebnis von fünfhundertsieben Kilome-tern sommerlicher Wanderung. Wenn sie bei Nacht jeweils zwanzig Kilometer zurücklegen würden, brauch-ten sie fünfundzwanzig Tage, aber wegen eventueller Regenfälle, unvorhergesehener Aufenthalte und Ruheta-ge mussten sie noch ein, zwei Wochen hinzurechnen. Also waren anderthalb Monate fürs Durchqueren des südlichen Teils
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