Ein Elefant im Mückenland
Bier, der aus der Rebe gezogene Wein oder der destillierte Kognak waren für den Pastor zu elenden Giften geworden, gegen die es nur zwei Mittel gab:
»Mehr Schnaps oder der Tod, halleluja.« Der unglückliche Mann betrachtete eine Weile Emilia,
wandte sich dann an Lucia und Paavo und fragte, ob es irgendwie möglich wäre, dass er wenigstens ein kurzes Stückchen auf dem Elefanten ritt. Er hatte kein Geld, um für den Spaß zu bezahlen, sofern es denn einer war,
aber er könnte ihnen für die bevorstehende Reise den Segen erteilen, wenn ihnen das reichen würde.
»Oder eigentlich bete ich auf jeden Fall für euch, auch wenn ich nicht auf dem Elefanten reiten darf. Ihr seid gute Menschen, allerdings bete ich auch für die schlech-ten, hab es mir so angewöhnt.«
Es war ein hartes Stück Arbeit, den Pastor in Emilias Sattel zu hieven, aber schließlich saß er oben. Lucia kletterte zu ihm hinauf, Paavo blieb vor den Stufen des Ladens sitzen, während Emilia den Elefanten auf die Dorfstraße lenkte. Der Pastor hielt sich am vorderen Sattelrand fest, er machte ein ernstes Gesicht, aber in seinen Augen lag ein glücklicher Schimmer. Als Lucia Emilia den Befehl zum Trab gab, begann der Pastor mit trostloser Stimme ein Kirchenlied zu singen, Paavo konnte die Worte deutlich hören. Dann verschwand Emilia hinter einer Wegbiegung. Sie trug das erste Mal einen Pastor auf ihrem Rücken.
Nach einer halben Sunde kamen Lucia und Emilia zurück, der Pastor war nicht mehr dabei. Seine Geliebte hatte entdeckt, dass er zusammen mit der Zirkusprima-donna auf dem Elefanten saß und ihm eifersüchtig befohlen, sofort abzusteigen und mit ihr zu kommen. Sie hatte noch ihre Verwunderung geäußert, dass fremde Huren, die sonst keinen Mann kriegten, extra mit einem Elefanten anrückten, um anderen den Liebsten wegzu-nehmen.
Am folgenden Morgen erschien dieselbe Frau im Schlafanzug im Laden und jammerte mit kläglicher Stimme, dass ihr lieber Mann wieder einmal mit einem Seil über der Schulter fortgegangen sei, um sich aufzu-hängen. Es war erst sieben Uhr, aber trotz der frühen Stunde erwachte das verkaterte Dorf, und die Suche nach dem bedauernswerten Pastor wurde überraschend zügig in die Wege geleitet. Die Leute baten Lucia und Paavo, sich zu beteiligen, und die beiden stiegen in Emilias Sattel, nachdem sie diese zunächst an der Ge-liebten des Pastors hatten schnüffeln lassen, da sie vermutlich nach der gemeinsamen Nacht noch ein wenig nach dem Verschwundenen roch. Emilia sog den Ge-ruch der hysterischen Frau in ihren Rüssel und begriff sicherlich, dass sie nach genau diesem suchen sollte.
Nach einer halben Stunde stieß Emilia ein Gebrüll aus und zeigte mit ihrem Rüssel zur einsamen Kapelle. Und tatsächlich, dort fanden sie den selbstmordgefähr-deten Kirchenmann, er hockte in einer hohen, dichten Fichte auf dem kleinen Friedhof, war in aller Frühe todesmutig hinaufgeklettert. Er hatte ein rotes Nylonseil bei sich, das ihm zum Selbstmord hätte verhelfen sollen, doch betrunken wie er war, wäre es ihm kaum gelungen, an dem hohen Standort und zwischen den dichten Zweigen überhaupt eine Schlinge zu knüpfen.
Er hatte sich dann nicht wieder hinuntergetraut, und das war auch gut gewesen, denn er wäre wohl kaum mit heilen Knochen unten angekommen. Er befand sich in derselben Lage wie unlängst Leo Valkamas Katze Tiina. Emilia half auch ihm geübt hinunter, sie lehnte sich an den Baum, Paavo stellte sich im Sattel aufrecht hin und Lucia stieg auf seine Schulter. Mit zielsicherem Griff holte die Zirkusprimadonna den schmächtigen Pastor zunächst in den Sattel und setzte ihn dann auf dem sicheren Boden ab.
Mit dem Seil in der Hand warf sich der Pastor auf die Erde und dankte Gott für die wunderbare Rettung. Emilia schob sanft ihre Stoßzähne unter seinen Hintern und half ihm, sich aufzurichten und an die Fichte zu lehnen. Der Kaufmann eilte mit den übrigen Dorfbe-wohnern herbei und reichte dem Pastor eine Flasche Koskenkorva. Er hatte für den schlimmsten Fall vorge-sorgt. Paavo zückte sein Portmonee und bezahlte den Schnaps. All dies geschah verstohlen und ohne viel Aufhebens. Man wollte das Dankesgebet des Pastors nicht unterbrechen.
DIE GRÜNEN BESCHLIESSEN,
DEN ELEFANTEN ZU RETTEN
Etwa zu dieser Zeit versammelten sich in einer Privat-wohnung in Tampere fünfzehn von der grünen Idee durchdrungene junge Menschen. Unter ihnen waren Tierschützer, zwei Fuchsmädchen, Vogelkundler, Vege-
tarier,
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